Land des Todes
der königlichen Einnahmen erhielt, musste das Testament vom König genehmigt werden, und zu unserem Entsetzen erklärte er es für ungültig und beanspruchte Lord Kadars Besitztümer für sich selbst, auf dass er sie nach eigenem Ermessen verteile.
Es folgte ein langwieriger Schriftverkehr, der sich über den Großteil eines Jahres hinzog. Der Notar des Masters legte eine leidenschaftliche Berufung ein, in der er auf die erklärten Absichten des Masters und Linas Recht verwies, das Anwesen zu erben; aber er hätte sich die Mühe ebenso gut sparen können. In seiner Weisheit und Boshaftigkeit vergab der König das Anwesen zu treuen Händen an einen königlichen Unterhaltsberechtigten, einen gewissen Emerek Masko. Masko war einer der Hofschranzen des Palastes, ein Speichellecker von so entferntem Verwandtschaftsgrad, dass er kaum noch von den Vorzügen profitierte. Tatsächlich hieß es im Palast, sein Recht darauf zu behaupten, königliches Blut in den Adern zu haben, sei verschwindend gering. Und so verlor er, nachdem die monatelangen Verhandlungen beendet waren, keine Zeit damit, sein Glück beim Schopf zu packen.
Sein Erscheinen im Dorf verlief, wie er es eindeutig beabsichtigt hatte, überaus spektakulär. Masko hatte sich seines neuen Reichtums unverzüglich bedient, indem er eine Kutsche aus zweiter Hand erwarb, eine Britschka, die er mit dem königlichen Wappen bemalen ließ und die von zwei auffallenden, aber unpraktischen Reitpferden gezogen wurde. Er saß hinten in einem prunkvollen Gehrock aus grünem Samt mit türkisen Brustschnüren, einem Spitzenkragen und auf die Brust sowie die Aufschläge gestickten Wappen. Seine Aufmachung war eine schlechte Kopie der städtischen Mode, hastig von einem Hinterhofschneider des Nordens angefertigt, und der Stoff unter den vergoldeten Knöpfen spannte sich über seinem üppigen Wanst. Die Wirkung war nicht so königlich, wie er es sich vorgestellt hatte: Sein Anblick erinnerte vielmehr an einen lächerlichen Ochsenfrosch.
Hinter der Britschka folgte ein Wagen mit seinen Besitztümern. Diesen fuhr ein mürrischer Landknecht. Dieser war, ebenso wie der Stallknecht, in eine unmögliche, smaragdgrüne und türkise Livree gekleidet, die bedauerlicherweise nicht zu Maskos eigener Aufmachung passte. Während sich der Tross den Weg zum Roten Haus bahnte, erregte er genau die Aufmerksamkeit, die er sich gewünscht hatte, allerdings gab es hinter seinem Rücken allerlei heimliches Kichern.
Im Roten Haus standen wir aufgereiht in der Eingangshalle, um ihn zu begrüßen. Als er die Stunde seiner Ankunft mittels eines Eilschreibens angekündigt hatte, weigerte sich Lina anfänglich, am Empfang teilzunehmen, doch irgendwie gelang es uns, sie umzustimmen. Den vom König auserkorenen Erben zu brüskieren, wäre in der Tat gefährlich gewesen. Als Tochter des verstorbenen Masters stand sie als Erste in der Reihe. Sie trug Gewänder tiefster Trauer, aber aus Höflichkeit hatte sie den Schleier von ihrem Gesicht zurückgezogen. Der Kummer hatte ihre dramatische Schönheit nochhervorgehoben: Sie war nach wie vor sehr jung, und statt ihr Antlitz mit Schatten zu verdunkeln, betonte die Gram ihre Wangenknochen und ihre Augen reliefartig und unterstrich die noble Blässe ihrer Haut. Als Nächster königlichen Bluts stand Damek hinter ihr, und hinter ihm warteten meine Mutter, ich selbst und die übrigen Bediensteten des Haushalts.
Masko ging sein Stallknecht voran, der die Tür aufstieß, sich unbeholfen verneigte und seine Lordschaft ankündigte. Diese unerwartete Förmlichkeit überraschte uns, und als Masko selbst eintrat, stolzierend wie ein Pfau, wurde er von Totenstille begrüßt. In unserer Unschuld hatten wir noch nie eine wandelnde Schneiderpuppe gesehen, wie er sie damals verkörperte; einen verhängnisvollen Moment lang fiel vor Verblüffung und Verlegenheit niemandem von uns etwas ein, das wir sagen konnten.
Ich spürte, wie meine Mutter sich regte, wohl, weil sie es als ihre Pflicht empfand, den neuen Lord in seinem Heim willkommen zu heißen, wenn die ehemalige Tochter des Hauses es nicht tat. Allerdings kam Lina ihr zuvor. Lina, von der wir alle geglaubt hatten, sie würde nie wieder lachen, konnte nicht an sich halten. Ihr Prusten wurde erst zu einem hilflosen Kichern, ehe es in ausgedehntes, glockenhelles Gelächter überquoll. Entsetzt starrten wir sie an, als sie sich mit tränenden Augen vornüberbeugte. Rasch wurde klar, dass sie sich so schnell nicht wieder
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