Land des Todes
beruhigen würde und dem Ausbruch tatsächlich etwas Hysterisches anhaftete. Allein Damek besaß die Geistesgegenwart, sie eilends außer Sicht zu bringen. Gleichzeitig trat meine Mutter vor, um die höflichen Willkommensworte zu sprechen.
Masko errötete und hatte wohl beschlossen, Lina zu ignorieren, obwohl ihre schreckliche Heiterkeit, die sich allmählich in ein herzzerreißendes Schluchzen auflöste, noch immer aus dem hinteren Bereich des Hauses zu hören war. Zur Erwiderung auf die Begrüßung meiner Mutter verbeugte er sich frostig. Für den Rest von uns erübrigte er nicht einmalein Nicken. Sodann riss er meiner Mutter die Inventaraufstellung aus der Hand und verlangte, ins Gesellschaftszimmer geführt zu werden, wo er ein Glas Wein serviert bekommen wollte. Hastig schickten wir uns an, seine Befehle zu befolgen, und dabei begegnete ich unverhofft seinem Blick. In jenem Moment erkannte ich, dass dieser Mann mehr als ein schamloser Tor war – in einem Anflug von Intuition nahm ich das Ausmaß seiner Fähigkeit zu Grausamkeit und kleinkariertem Groll wahr. Mir wurde kalt, fast so kalt wie damals, als ich die Aufmerksamkeit des Zauberers Ezra auf mich gezogen hatte. Wenngleich dieser Mann nicht über die Kräfte eines Zauberers verfügte, war er nun unser aller Gebieter, und unser Leben lag in seiner Hand. Es verhieß nichts Gutes, dass Linas erste Handlung in seiner Gegenwart darin bestanden hatte, seine Eitelkeit dermaßen schwer zu verletzen.
Der erste Befehl, den er in unserem Haushalt erteilte, nachdem er seine Erfrischung genossen hatte, bestand darin, dass Lina für ihre Unverschämtheit zu züchtigen sei. Als meine Mutter – mit ungewöhnlicher Verwegenheit – darauf hinwies, wie ungehörig es sei, die Tochter des früheren Masters solchermaßen zu bestrafen, erwiderte er, dass ihr Blut es umso mehr erfordere, ihr Manieren beizubringen. Da die Bediensteten nicht willens waren, seinen Befehl auszuführen, befahl er mit einer Stimme, die zu einem Schrei anschwoll, seinem Stallknecht, die Aufgabe zu erledigen.
Dieser Stallknecht, ein Mann namens Kush, war und ist einer der hässlichsten Männer, denen ich je begegnet bin: Er arbeitet nach wie vor in unserem Haushalt und ist mittlerweile Dameks Oberdiener. Damals hatte ihn das Alter noch nicht gekrümmt, und er besaß noch die Kraft eines kerngesunden Mannes. Grob packte er Lina am Arm, aber sie riss sich los und rannte in ihr Zimmer, wo sie sich einschloss. Es war vergeblich: Kush brach die Tür mit der Schulter auf und zerrte Lina an den Haaren heraus, wobei sie kreischend um sich trat. Er warf sich das Mädchen über die Schulter und trugsie nach draußen, wo er sie mit einer Rute peitschte, bis Blut durch ihr Kleid auf den Boden tropfte und sie vor Schmerzen die Besinnung verlor.
Masko beobachtete das Geschehen mit einem Lächeln auf den Lippen und stand ein wenig abseits der restlichen stummen Zeugen. Ich glaube, als Lina ohnmächtig wurde, fürchtete er einen Moment lang, sie könnte unter der Züchtigung gestorben sein. Ungeachtet all der Abneigung, die der König der Familie des Masters entgegenbrachte, wäre es politisch ungeschickt von Masko gewesen, die von ihm verdrängte Erbin am Tag seiner Ankunft töten zu lassen. Hastig gebot er seinem Knecht, die Prügel einzustellen, dann ließ er Lina ins Haus bringen. Auch widersprach er meiner Mutter nicht, als sie später an jenem Tag forderte, dass der Arzt zu holen sei, um Linas Wunden zu salben, wenngleich dadurch bekannt wurde, wie barbarisch er sie behandelt hatte.
Nach der Bestrafung hütete Lina zwei Wochen lang das Bett. Damek diente in der Zeit als ihr ständiger Pfleger, und ich besuchte sie in jedem freien Augenblick, in dem mich keine anderen Aufgaben beanspruchten. Drei Tage lang sprach sie kein Wort. Am vierten Tag setzte sie sich im Bett auf, wenngleich es ihr Qualen bereitete, und verfluchte Masko mit jeder Faser ihres Wesens. Sie wünschte ihm Furunkel auf die Haut und Geschwüre für den Mund, die Augen und den Anus; sie schwor, dass er Asche essen und Staub trinken würde; verkündete, er würde weder Söhne noch Töchter zeugen und weder im Bett noch sonst irgendwo je Befriedigung erfahren. Ja, sie rief den Teufel dazu auf, Maskos Tage und Nächte mit solcher Pein heimzusuchen, wie sie selbst sie gerade erlitt, nur tausendfach verstärkt – eine Qual, die sich wie Salz in seine Wunden und wie Säure in seine Seele fressen solle. Und sie schwor, dass sein Tod früh,
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