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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Es ist zu schmerzlich.
    Haushaltspflichten nachzukommen ist sehr langweilig. Ich frage mich, wie Anna es all die Jahre ertragen hat. Ich muss hässliche Kleider tragen – all meine guten Sachen wurden weggepackt. Mich wundert, dass Masko es wagt, mich so zu behandeln! Sogar Fatima sagt, das sei eine Beleidigung. Die Menschen im Dorf verspüren immer noch Loyalität gegenüber dem Haus Kadar. Es gefällt ihnen nicht, die Familienehre derart besudelt zu sehen – noch dazu von einer solchen Witzfigur! Ich verstehe nicht, weshalb der König meinen Vater so sehr hasste, dass er einen solchen Erben geschickt hat. Was hat mein Vater getan, um eine derart schlechte Behandlung zu verdienen? Er war ein guter Mann, der beste Mann – und er hat die Dörfler geliebt. Nie sah ich jemanden, der so aufgebracht war wie er, als die Vendetta hier Einzug hielt: Sein Gesicht war kalkweiß, er schlug sich mit der Hand auf die Stirn, und ich schwöre, ihm standen Tränen in den Augen, als er an all den Kummer dachte, der sein Volk heimsuchen würde.
    Ich weiß, warum der König ihn gehasst hat, obwohl ich es nur ungern eingestehe. Es liegt an mir und meiner Mutter. Anna dachte, ich wüsste nicht, was man über mich sagt. Wenn ich es erwähnte, hat sie immer von etwas anderem geredet, bis ich zu fragen aufhörte. Aber ich weiß es. Ich sehe die Angst und Verachtung in ihren Gesichtern, sobald sie meine Augen erspähen, und ich höre die mordlüsternen Gedanken in ihren leeren Schädeln so deutlich, als sprächen die Leute sie aus. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass mich die Dörfler nur meines Vaters wegen nicht kurzerhand mit einem Pflock pfählen. Wenn nur diese Augen nicht wären! Hätten Hexen sonderbare Ohren oder zusätzliche Finger, könnte ich das verbergen oder sie abhacken: Aber ich kann meine Augen nicht verstecken, es sei denn, ich verbände sie mir.
    Niemand traut sich, es mir ins Gesicht zu sagen, weil ich von königlichem Blut bin. Zumindest hat es sich bislang niemand getraut. Masko zögert nicht, mich eine Hexe zu nennen, und lechzt geradezu nach meinem Blut. Einige Feiglinge folgen seinem Beispiel: Johka von den Niederwiesen hat ausgespuckt und das Teufelszeichen gemacht, als ich heute an ihm vorbeiging, und ich habe die Mädchen hinter vorgehaltener Hand kichern gehört, als sie mich in meinen alten Kleidern sahen, die von Flicken übersät sind!
    Die täglichen Demütigungen fühlen sich an wie glimmende Kohlen, sie verbrennen mich bis aufs Mark. Aber ich tue so, als würde ich nichts bemerken, ich achte darauf, stolz zu gehen, als wäre ich immer noch eine Prinzessin. Schon gibt es welche, die vergessen, mich mit Fräulein Lina anzureden – dieselben, die noch vor Kurzem an meinen Röcken zupften, um meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Ich verabscheue sie alle – sie sind mindere Kreaturen mit Wurmgehirnen und verdienen Schlimmeres als die Flammen der Hölle. Wäre ich Gott, würde ich sie für alle Ewigkeit in einem Badehaus einsperren. Ich kann sie regelrecht sehen, wie sie zusammengepfercht in einem winzigen, bitterkalten Raum kauern, der nach ihren schalen Ausdünstungen stinkt, denen sie nicht entkommen können! Und ich würde sie Nadeln sortieren lassen, bis ihre Finger bluten und sie vor Langeweile den Verstand verlieren. Und ich würde sie nie schlafen oder zu arbeiten aufhören lassen. Ja, das würde ihnen recht geschehen.
    Gestern hatte ich Angst, als ich Masko auf dem Dorfplatz mit dem Zauberer Ezra reden sah: Mein erster Gedanke war,dass sie Ränke schmiedeten, um mich zu meucheln, zumal sie mich beide tot sehen wollen. Masko hat dabei sehr unruhig gewirkt. Er hat derart mit dem Kopf gewackelt, dass ihm sein alberner Spitzenkragen ins Gesicht klatschte. Wäre ich nicht so angespannt gewesen, hätte ich laut aufgelacht. Dann schaute er über den Platz und erblickte mich mit meinem Korb, wie ich die beiden beobachtete: Ich schwöre, er zuckte zusammen, als fühlte er sich ertappt, deshalb bin ich ziemlich sicher, dass sie über mich geredet haben.
    Dann geschah etwas überaus Erstaunliches: Der Zauberer Ezra, der mit dem Rücken zu mir stand, drehte sich um und starrte mich an. Im Gesicht hatte er sein übliches kaltes Hohnlächeln, aber ich weigerte mich, wegzuschauen. Und zum ersten Mal in meinem Leben begegnete er meinem Blick und nickte höflich, als wollte er mich grüßen. Der alte Yiru sah es auch – vor Verblüffung stand er stocksteif und mit offenem Mund da! Ezra hatte sich davor noch

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