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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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nie dazu herabgelassen, meine Anwesenheit überhaupt zu bemerken, außer, um mich als Ausgeburt, als wandelnde Gotteslästerung oder ähnliche Schändlichkeit zu bezeichnen. Ich war noch nie so überrascht! Beinah hätte ich nicht reagiert, doch ich dachte noch rechtzeitig daran, kurz zu knicksen, ehe ich mich rasch wieder meinen Pflichten zuwandte, weil diese beiden Männer meine Eingeweide vor Verachtung zum Kochen bringen und ich mich ungern in ihrer Nähe aufhalte.
    Dennoch schöpfe ich ein wenig Hoffnung aus dem, was ich sah. Ich glaube nämlich, dass der Zauberer Ezra Masko noch weniger leiden kann als mich. Er könnte sich aus reiner Gehässigkeit gegenüber Masko weigern, meine Tötung gutzuheißen. Es mutet fast wie ein Witz an. Damek meint, es könnte durchaus so sein, trotzdem warnt er mich, auf der Hut zu bleiben. Den Schlüssel für mein Schlafzimmer habe ich nicht mehr, aber ich stelle jetzt jede Nacht einen Stuhl unter den Türgriff.
    Ich frage mich, ob es wahr ist, dass ich keine Hexe bin. Fastbin ich überzeugt davon, und doch wäre es so ungerecht, all die äußerlichen Anzeichen und doch nichts von der Macht zu besitzen! Wenn ich schon auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder durchs Herz gepfählt werden soll, dann sollte mir ein wenig Freude dafür vergönnt sein. Heute Morgen habe ich Masko sein Frühstück serviert – und mich bemüht, mich beim Anblick jenes widerwärtigen Gesichts nicht zu übergeben. Seine Wangen wackelten wie Pudding und waren von feinen Schweißperlen überzogen, als er seine gebratenen Nieren kaute. Wie immer musterte ich ihn genau, und ich fand, dass er ein wenig abgehärmt aussah, als schliefe er unruhig. Und ich bin sicher, dass auf seiner Lippe ein Striemen war. Vielleicht brauchen Flüche eine Weile, bis sie wirken. Mir ist egal, wie lange es dauert, solange er wie der rückgratlose Hund stirbt, der er ist.
Mittwoch
    Das Leben ist so langweilig, dass ich nichts zu schreiben weiß. Ich füttere Hühner, hacke Gemüse und erledige alberne Besorgungsgänge – unaufhörlich. Frau Anna ist so freundlich zu mir, wie sie überhaupt freundlich sein kann; zumindest tadelt sie mich nicht wegen meiner Ungeschicktheit, jedenfalls nicht allzu sehr.
    Allerdings geschah an diesem Morgen etwas Interessantes. Frau Anna gab mir meine guten Kleider zurück und sagte zu mir, ich müsse nicht mehr in der Küche dienen! Masko hat ihr vergangenen Abend mitgeteilt, dass meine »Strafe« zu Ende sei. So wahrt er das Gesicht: Wir alle wissen, dass es keine Strafe war, sondern mein Schicksal in diesem Haus sein sollte! Ich glaube, der Zauberer Ezra hat ihn wissen lassen, wie wenig die Menschen des Dorfes davon halten, wie er mich behandelt. Wie seltsam, dass ausgerechnet mein erbittertster Feind für mich eintreten sollte! Ich traue dem Zauberer nicht mehr als je zuvor – ich bin überzeugt davon, dass er mir nichts Gutes wünscht. Aber ich bin auch froh, nicht mehr Rüben zu schälen und Erbsen auslesen zu müssen. Ich habe mir dabei so viele Male in die Finger geschnitten.
    Mittlerweile ist es zwei Wochen her, dass sich Damek aus dem Bett erhoben hat. Bis heute war uns nicht gestattet, beisammenzusitzen oder miteinander zu reden – er durfte das Haus verlassen, ich hingegen war gezwungen zu bleiben. Durch die Fenster beobachtete ich, wie er ganz allein auf die Ebenen davonmarschierte – obwohl er sich immer umgedreht hat, um zu sehen, ob ich ihm durchs Fenster nachschaue. Heute Morgen habe ich mein hübschestes Kleid angezogen und an seine Tür geklopft. Und dann, als wäre er bereits erwachsen, bot er mir seinen Arm dar, und wir stolzierten aus dem Haus wie ein Lord und eine Lady – ich konnte mir kaum das Lachen verkneifen! Niemand hat uns aufgehalten. Masko lag noch im Bett und schnarchte, als wollte er Tote aufwecken, und der Tag war früh und frisch. Kaum waren wir außer Sicht des Hauses, liefen wir los. Wir rannten und rannten, bis wir außer Atem waren, bis zu unserem geheimen Ort am Fluss. Dort stand ich bei den Weiden und ließ den Blick über die Ebenen zu den Bergen und den schwarzen Wolken darüber wandern, und ich weinte vor Glück.
    Es fühlt sich für mich wie Jahre an, die ich in jenem Haus eingekerkert war. Es war, als wäre ich blind, taub und stumm gewesen und als hätte Gott plötzlich den Wickel um meine Sinne entfernt – ich konnte die Erde riechen, all den üppigen Verfall des Herbstes, das entsamende Gras und die saubere Luft, die mit Regen im Gefolge von

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