Land des Todes
Ausschau und sehe nichts, nicht ein einziges Anzeichen darauf, dass die Götter mich erhört haben und sich für mich einsetzen. Ich glaube, ich bin es, die verflucht ist.
Masko sitzt den ganzen Tag im Gesellschaftszimmer, wo er die wunderschönen Gemälde hat entfernen lassen, die mein Vater dort aufgehängt hatte. Masko hat sie durch seine geschmacklosen Schmierereien in billigen Falschgoldrahmen ersetzt, deshalb ist der Raum jetzt hässlich und stillos. Und dort trinkt er ein Glas Portwein nach dem anderen und verschlingt Schweinsfüße und Gänseschmalzpfannkuchen. Alles, was man hört, sind sein schweres Atmen und sein Schmatzen. Und dann steigt er auf eines der armen Pferde und reitet los, um Karten zu spielen. Er ist wie Unrat und lässt alles um ihn herum ekelhaft werden. Manchmal bemerke ich, dass er mich ansieht. Seine hinterhältigen Augen rollen dann über seinen feisten Wangen. Er starrt meine Vorderseite auf eine Weise an, bei der mir heiß und kalt wird. Als ich einmal meine Röcke hochgekrempelt hatte, um die Ziegen zu melken – denn ich bin jetzt eine Dienstmagd! Ich! Die ich von königlichem Blute bin! – habe ich mich umgedreht, und da stand er, keine fünf Schritte entfernt. Ich wusste, dass er meine Fußgelenke betrachtet hatte, und ich fühlte mich durch seine Blicke beschmutzt, als hätte ich mich im Dreck des Hofs gewälzt.
Ich glaube, er hat ein wenig Angst, dass meine Worte doch mächtig gewesen sein könnten und er tatsächlich verflucht ist. Und ich denke, das ist das Einzige, was ihn davon abhält, seine fetten schmierigen Finger seinen Augen folgen zu lassen. Ich schwöre, rührte er mich an, ich würde ihn umbringen. Ich würde ihm sogar ein Buttermesser durch die Luftröhre treiben und ihm die Augen mit einer Gabel ausstechen – und es würde mich so erfreuen, das Blut über sein lächerliches Hemd spritzen zu sehen!
So – jetzt bin ich wütend! Und nicht mehr so traurig.
Montag
Damek liegt immer noch im Bett, aber heute Abend ist es mir gelungen, mich zu ihm zu schleichen, während Masko zum Kartenspielen unterwegs war. Er meinte, ich solle aufhören zu weinen, und wir sollten warten, bis wir erwachsen wären, denn dann würden wir uns an Masko rächen. Er hatte seine schwarze Miene aufgesetzt, als er es sagte. Damek scheint so stur wie die Berge selbst zu sein, und genauso gnadenlos. Wäre ich Masko, würde ich mich sehr vor ihm fürchten! Ich glaube, er würde Masko in die Tiefen des Fegefeuers folgen, um Vergeltung zu üben. Es hat mich getröstet, aber trotzdem, es ist noch eine so lange Zeit, bis ich erwachsen sein werde! Bis dahin könnte ich sogar tot sein, und ich würde viel lieber auf der Stelle erleben, wie Masko zu meinen Füßen schluchzt und um Gnade winselt. Das habe ich Damek gesagt, doch er meinte, ich solle nicht töricht sein.
Er weiß, dass mein Fluch nicht gewirkt hat, obwohl er mich zu sehr liebt, um es laut auszusprechen. Die Zeit wird alles weisen, sagte er. Wäre das von jemand anderem gekommen, hätte ich vermutet, man wolle mich auffordern, mich wie eine Dame zu benehmen und meine Wut zu vergessen. Damek aber würde so etwas nie zu mir sagen.
Wir sind immer noch Kinder und besitzen kein eigenes Geld. Damek sagt, er weiß, wie man reich werden kann. Er denkt ständig an Geld, selbst wenn ich ihn dafür auslache und zu ihm sage, das sei vulgär. Dann schüttelt er nur den Kopf und wirft mir vor, gedankenlos zu sein, weil die einzige Möglichkeit, es Masko heimzuzahlen, darin bestünde, reicher als er zu werden. Aber selbst, wenn Masko irgendwann im Grab läge, würde es mir der König nicht gestatten, das Anwesen zu erben. Wo findet man Geld? Damek verrät es mir nicht. Wenn er will, kann er sehr irritierend sein.
Er kann immer noch nicht auf dem Rücken liegen, aber er ist so geduldig und nimmt seine Schmerzen klaglos hin!Wahrlich, er ist ein Engel. Sogar Annas Mama sagt das, und sie lobt sonst nie jemanden. Seit Anna fort ist, ist es mit ihr noch schlimmer geworden, sie ist vor Verbitterung runzlig wie eine Dörrpflaume geworden, aber ich kann ihr daraus keinen Vorwurf machen. Jeder im Dorf sagt, dass Anna doch nur ein Mädchen war und Töchter ihre Mütter früher oder später immer verlassen, aber das bedeutet doch nicht, dass eine Tochter nichts zählt. Ohnehin ist es in unserem Haus immer anders gewesen, jedenfalls bisher. Aber da weder Anna noch ich Brüder hatten, wurden wir vielleicht mehr geliebt … nein, daran kann ich nicht denken!
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