Land des Todes
den Bergen herabwehte. Die Farben der Natur brannten mir in den Augen, so satte Ocker-, Braun-, Gelb- und endlose Grüntöne – und der Himmel präsentierte sich in jedem Blau, das es gibt, von fast schwarz bis hin zur zartesten Färbung, die an die Schale eines Enteneis erinnert. Die Schatten erstreckten sich lang und scharf unter zitronengelbem Sturmlicht …
Alles andere hat sich verändert, aber dieser Ort bleibt immer gleich. All mein Leben ist hier, all meine Kindheit und all meine Zukunft – hier sind Damek und ich so wie damals, als wir den Ort vor all den Jahren fanden – rein, vollständig und frei –, und nichts trübt unser Glück. Es gehört alles mir – und Damek gehört mir auch. Ebenso gut könnte jemand versuchen, mir das Blut aus den Adern zu stehlen! Nicht einmal der Tod kann daran etwas ändern. Wenn ich einst begraben bin, werden all diese Dinge immer noch mir gehören und ich ihnen – ich werde der Himmel, das Feld, die Bäume und der Wind sein, und sie werden ich sein. Und in allem wird Damek sein, denn mein Herz schlägt in seiner Brust und das seine in der meinen.
Damek sagt, ich darf nicht vom Sterben reden. Er glaubt weder an Gott noch an den Himmel oder die Hölle und behauptet, der Tod sei nur eine endlose Dunkelheit ohne Gedanken oder Licht. Das Leben nach dem Tod, von dem die Priester reden, ist seiner Ansicht nach nur eine Lüge, die uns die Hölle erdulden lässt, die wir auf Erden erfahren, anstatt zu versuchen, unser Schicksal zu ändern. Ich weiß nicht, warum er solche merkwürdigen Dinge denkt – manchmal ängstigt er mich ein wenig. »Es gibt nur das Jetzt!«, hat er gesagt, meinen Arm ergriffen und ihn so fest gedrückt, dass ich blaue Flecken zurückbehielt. »Nur das Jetzt!« Und ich rief: »Heute werde ich ewig leben!« Und dann lachte ich ihn aus und rannte weg.
Bald darauf erstarb der Wind, und wir wussten, dass der Regen kommen würde, deshalb mussten wir nach Hause eilen. Auf halbem Weg dorthin brachen die Wolken auf. Ich war im Nu durchnässt, und als wir zu Hause eintrafen, war mein bestes Kleid völlig verdreckt, doch es kümmerte mich nicht! Es war mir ohnehin zu klein geworden. Frau Anna schimpfte mich ordentlich aus. Masko sah uns nicht, er lag noch im Bett, und dabei war es fast Mittag! Er war bis spät in die Nacht in Dardan gewesen, um mit seinen dreckigenFreunden Karten zu spielen, und man konnte ihn aus dem Gesellschaftszimmer immer noch schnarchen hören.
Frau Anna verbannte mich den ganzen Nachmittag in mein Zimmer. Sie meinte, ich solle darüber nachdenken, was es bedeutet, eine Dame zu sein, vor allem, wenn ich wollte, dass Masko mich wie eine behandelt. Als ob es eine Rolle spielt, was er von mir denkt!
Jetzt hat sich die fette Kröte aus dem Bett gemüht – ich höre ihn den Gang entlangschleimen und Frau Anna befehlen, ihm Frühstück zu machen. Ganz gleich, was der König sagt, dieser Ort wird ihm nie gehören – niemals, niemals, niemals! Er versteht weniger von den Dingen, als der kleinste Wurm in der Erde, denn der Wurm frisst die Erde und ist ein Teil von ihr. Masko denkt an nichts anderes als an Geld. Mir ist gleich, was Damek sagt. Geld ist belanglos. Völlig belanglos.
Später
Jetzt bin ich wieder eine Dame – ich muss mein Abendessen mit Masko einnehmen! Es ist eine harte Herausforderung. Damek sagt, ich muss meine Wut zügeln, weil wir auf den richtigen Zeitpunkt warten müssen. Also schlucke ich meinen Stolz hinunter und gebe mich sittsam und brav, während Masko mir über den Tisch hinweg zulächelt. Er hat sich einen neuen Gehrock gekauft – aus violettem Samt, und er trägt ihn zu einer karmesinroten Hose. Etwas Hässlicheres und Lächerlicheres habe ich in meinem Leben noch nie gesehen.
April
Es ist so lange her, seit ich zuletzt etwas geschrieben habe, dass ich das Tagebuch völlig vergessen habe! Ich bin unter das Bett gekrochen, um nach einem Schuh zu suchen, und habe dabeidieses alte, verstaubte Heft entdeckt. Jetzt bin ich nicht mehr so unglücklich! Masko ist ein dummer, fetter Säufer, aber wir müssen keine Notiz voneinander nehmen, und außerdem hat er den ganzen Winter im Süden verbracht. Obwohl ich ihn verabscheue, wünschte ich, er hätte uns mitgenommen. Hier ist es so langweilig.
Vor drei Wochen kam er zurück, aber er bleibt vorwiegend in seinem Zimmer oder reitet davon, um Bekannte zu besuchen. Zweimal sind welche zum Abendessen und Kartenspielen hergekommen, aber Frau Anna verbannt mich
Weitere Kostenlose Bücher