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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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froh, dass du zu Hause bist. Ich habe gezittert, weil ich fürchtete, der König würde es nicht erlauben. Früher hätte er das auch nicht getan! Und wie erwachsen du jetzt bist!«
    Mich verblüffte ihre Begrüßung, ich freute mich jedoch darüber. »Es ist sieben Jahre her«, gab ich zurück. »Natürlich bin ich jetzt verändert. Aber ich denke, in vielerlei Hinsicht bin ich noch immer die Alte.«
    Meine eigenen Gedanken sprach ich nicht aus, nämlich,dass sich Lina fast bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte. Ich hatte sie als stark und kernig im Gedächtnis, als die Furchtloseste meiner Kindheitsfreundinnen: Und nun stand vor mir eine schlanke, blasse Frau, die ungemein zerbrechlich zu sein schien. Ich hatte das Gefühl, an ihr blaue Flecken zu hinterlassen, wenn ich sie nur berührte, als wäre sie eine im Glashaus aufgewachsene Lilie. Ihrer Schönheit tat dies keinen Abbruch; die durchscheinende Wirkung ihrer Haut ließ sie nachgerade leuchten. Die andere, seltsame Veränderung bestand darin, dass ihre Augen nicht mehr das kräftige Violett besaßen, an das ich mich erinnerte, sondern eher ein dunkles Blau oder sattes Schiefergrau. Mir kam der Gedanke, dass sie irgendwann in den vergangenen Jahren sehr krank gewesen sein musste und sich noch immer im Stadium der Genesung befand.
    Lina musterte mich noch ein wenig länger, dann lachte sie traurig und wandte den Blick ab. »Du bist schon immer charakterfest gewesen«, meinte sie. »Ich Wirklichkeit habe ich mich am meisten verändert. Ich bin jetzt erwachsen und habe Eitelkeit und Wunschdenken abgelegt. Ich hoffe, du wirst mich als bessere Freundin empfinden, als ich es früher gewesen bin.«
    Das verwirrte mich ein wenig; schließlich war mir im Palast beigebracht worden, mich streng an meinen Rang zu halten. »Ich hoffe«, gab ich etwas zaghaft zurück, »Sie werden mich als bessere Dienerin empfinden, als Sie es in Erinnerung haben.«
    »Eine Dienerin hätte ich überall finden können, Anna«, sagte Lina. »Ich habe nach dir als Freundin verlangt. Ich beklage mich nicht über mein Leben, es könnte viel schlimmer sein; aber ich gestehe, dass es die letzten Jahre einsam war. Und wer kennt mich so gut wie du?«
    Ich murmelte etwas Unverfängliches und bemerkte kurz einen Anflug von Linas alter Ungeduld, bevor sie das Thema wechselte und meinte, sie würde mir die Vorratskammer, denWäscheschrank und andere solche Plätze zeigen, die meiner Obhut unterstehen sollten.
    Während sie mich durch das Haus führte, entspannten wir uns und fanden ein wenig zu unserer alten Vertrautheit zurück. Wie immer, wenn Lina bezaubernd sein wollte, war es schwierig, ihr zu widerstehen, und sie war so eng mit meinen Kindheitserinnerungen verknüpft, dass ich mich bald zu Hause fühlte. Ich wusste, dass sie nicht gelogen hatte, was ihre Einsamkeit anging. Ich konnte sie förmlich spüren. Lina wirkte lachhaft empfindlich; obwohl sie es nicht aussprach, erahnte ich, dass mein anfänglicher Versuch, Abstand zu wahren, sie verletzt hatte. Je länger wir redeten, desto mehr bemitleidete ich sie; bisweilen haftete ihrem Tonfall etwas geradezu Fieberhaftes an. Beispielsweise schien sie fast kindisch bestrebt zu sein, meine Billigung zu erlangen, was sie früher nie getan hätte. Insbesondere fiel mir aber auf, dass sie jedwede Erwähnung Dameks vermied. Vor allem jedoch bemerkte ich, dass sie schnell ermüdete, und es gab noch andere kleine Anzeichen einer angegriffenen Gesundheit, die mich beunruhigten.
    Mein Schrankkoffer traf während unseres Rundgangs ein, also zeigte sie mir mein Zimmer und ließ mich meine Habseligkeiten auspacken. Das verschaffte mir letztlich ein wenig Raum für mich selbst, sodass ich darüber nachdenken konnte, was ich an jenem Morgen bezeugt hatte. Es fühlte sich unbehaglich an. Hauptsächlich zerbrach ich mir den Kopf über Linas künftigen Gemahl, der gleichzeitig mein künftiger Master werden würde. Sollte er sich als barsch und streng wie die meisten Männer des Nordens erweisen, fürchtete ich, dass Lina die Ehe nicht lange überleben würde. Und da wurde mir mit einer schmerzlichen, erwachsenen Wahrnehmung klar, was ich als Kind immer gewusst hatte: dass ich Lina trotz all ihrer Unzulänglichkeiten liebte, wie man nur eine Schwester lieben kann.
XVI
    Es dauerte einige Tage, bis wir zu einer Beziehung fanden, in der wir uns beide wohlfühlten, einer Beziehung, die sowohl unser beider Stellung als auch unserer Vertrautheit Rechnung trug.
    Es ist

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