Land des Todes
Boden spuckte. Und so würde Lina ihren Hochzeitstag entehrt und ohne Familie begehen müssen. Die Gefühle der Dörfler richteten sich infolgedessen heftig gegen Masko, da unser Stolz verletzt war: Er würde uns alle knauserig aussehen lassen.
Die Aufgabe, die Vermählung zu organisieren, fiel automatisch mir zu. Anfangs war ich krank vor Sorge; ich schien keine andere Wahl zu haben, als einen beschämenden Bettelgang zur Familie Alcahil anzutreten und sie um ihre Unterstützung zu bitten, damit gewährleistet wäre, dass die Hochzeitsgäste mit Speis und Trank versorgt werden konnten. Höchst unerwartet und beinah in letzter Minute sprang der König zu Linas Rettung ein. Ich hatte für Lina an den Palast geschrieben und um den königlichen Segen für die bevorstehende Hochzeit gebeten. Da Tibor Alcahil ein Bürgerlicher war und Lina eine Frau, die den Namen Kadar nicht weiterführen würde, stellte die königliche Zustimmung streng genommen keine Notwendigkeit dar. Niemand sonst hatte daran gedacht, ein solches Schreiben zu verfassen, doch angesichts Linas ungewisser Lage hielt ich es für einen wichtigen Akt der Höflichkeit.
Die Antwort des Königs erfolgte rasch: Ein Bote traf in aller Eile ein und brachte neben einer Gabe von fünfzig Goldmünzen ein Dokument mit, das Lina die Manse und die angrenzenden Felder als Hochzeitsgeschenk und Aussteuer zuerkannte. Masko nahm die Neuigkeit nicht gut auf. In seiner Wut ging er sogar so weit, den königlichen Boten des Schwindels zu bezichtigen, was für große Empörung sorgte. Doch kaum war bewiesen, dass es sich beim königlichen Siegel keineswegs um eine Fälschung handelte, wagte er nicht, noch weiter aufzubegehren. Die Geste ließ sich als klarer Hinweis des Königs darauf verstehen, dass Masko in seiner Gunst erheblich gesunken war.
Ich war über diese Entwicklung wesentlich froher als Lina, die sie mit Gleichgültigkeit aufnahm, und das nicht nur, weil mir dadurch ein peinliches Gespräch mit der Familie Alcahil erspart blieb. Beim König in Ungnade zu fallen, ist auf dem Plateau ein Kreuz, an dem man schwer zu tragen hat. Neben dem Tadel für Masko zeigte die Mitgift aller Welt, dass der König seine Einstellung gegenüber den Kadars geändert hatte; sie stellte einen Akt der Unterstützung dar, der über diereine Pflichterfüllung hinausging und daher doppelt willkommen war.
Ich grüble immer noch, ob es an Lord Kadars Ehe mit Linas Mutter lag, die meinem ehemaligen Master die königliche Feindseligkeit eingebracht hatte, oder ob jene Entscheidung nur einen früheren Zwist verschärft hatte. Vermutlich werde ich es nie erfahren. Mir schien, als ich über Linas Zukunft nachdachte, dass diese neue Milde etwas mit der Verkündigung des Zauberers Ezra zu tun haben müsse, sie sei doch keine Hexe. Und ich bin immer noch erstaunt darüber, dass ausgerechnet er zum Mittel ihrer Errettung geworden war.
Ich war sehr neugierig darauf, Linas Verlobten zu sehen, aber es sollte noch einige Tage dauern, bis ich Gelegenheit dazu bekam. Er stattete der Manse einen formellen Besuch mit seiner Mutter ab, vorgeblich, um über die Einzelheiten der Aussteuer zu sprechen, in Wirklichkeit jedoch, um seine Geliebte zu bewundern, und so wurde ich ihm vorgestellt. Ich wurde angenehm überrascht: Vor mir stand ein schlanker, etwas zurückhaltender junger Mann, der sich als ausgesprochen gesegnet betrachtete, Linas Hand errungen zu haben. Er besaß das dunkle Haar sowie die ansprechenden Züge des Nordens und, so wie seine Mutter, empfindsame braune Augen, in denen sich seine Gefühle so deutlich widerspiegelten, als spräche er sie laut aus. Ich mochte Frau Alcahil auf Anhieb: Sie war eine vernünftige Bauerngattin, die ihre unverkennbaren Vorbehalte gegen die Eheschließung ihres Sohnes mit ruhigem, sachlichem Auftreten überspielte.
Die Familie Alcahil konnte sich keiner adeligen Verwandtschaft rühmen, doch in Linas Fall erwies sich das eher als Vorteil, da ihr Hexenblut eine Verbindung zum königlichen Haus ohnehin unmöglich machte. Nichtsdestotrotz waren die Alcahils angesehene Leute: Als größte Landbesitzer in einem Nachbardorf, das von der Vendetta zwischen Elbasa und Skip verschont geblieben war, genossen sie einen behaglichen Wohlstand. Linas Auserwählter war, darin stimmtendie Frauen im Dorf überein, eine wesentlich vorteilhaftere Partie, als man sich für ein durch den Skandal ihrer Geburt derart gezeichnetes Mädchen, das obendrein kein Geld besaß, je hätte
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