Land des Todes
ich kennengelernt hatte, und wäre ich nach meinen Wünschen gefragt worden, wäre ich geblieben, wo ich war.
Doch der König entschied, dass ich gehen sollte, also hatte ich keine andere Wahl, als abzureisen. In meine Freude über die Rückkehr nach Hause mischte sich Bedauern. Zefs natürliche Zurückhaltung und unser beider Jugend, die bedeutete, dass wir beide nicht selbst darüber entscheiden konnten, wo wir lebten und arbeiteten, bewirkten, dass er seine Absichten nicht kundtat, bevor ich aufbrach. Und so reiste ich mit jenen Gefühlen nach Hause, die man gemeinhin unter dem Begriff des »gebrochenen Herzens« zusammenfasst. Mittlerweile kann ich darüber lachen, denn solche Missverständnisse liegen längst hinter uns, aber damals fühlte es sich sehr schmerzlich an, weil ich überzeugt davon war, ich würde ihn nie wiedersehen. Damit unterschätzte ich jedoch Zefs Beharrlichkeit und Entschlossenheit: Kaum war er alt genug, reiste er flugs hierher und bat um meine Hand. Und so sieht man uns nun zusammen nach vielen Jahren einer guten Ehe, deren einziger Kummer unsere Kinderlosigkeit ist. Für jeden außer uns waren es unscheinbare Jahre, die keine aufregende Geschichte ergeben: Doch ich danke Gott jeden Tag für das Glück, so früh im Leben einen Mann gefunden zu haben, der meinen Geist und meine Seele gleichermaßen zu schätzen weiß und der mich nie meines Geschlechtes wegen herablassend behandelt hat. Aber ich schweife ab.
Nachdem Damek gegangen war, zog Lina aus dem Roten Haus aus und richtete ihren Haushalt in der Manse ein. Bis zu meinem Eintreffen wurde ihr ein junges Mädchen, Fatimas Großnichte Irli, als Magd zugewiesen, und sie lebte wie eineEinsiedlerin, wurde nur selten im Dorf gesehen, außer, wenn sie die Messe besuchte. Dies passte so gar nicht zu der Lina, die ich gekannt hatte, dass ich verblüfft war, aber meine Mutter behauptete, Lina habe sich als Frau verändert und sei nun sowohl sanftmütig als auch fügsam geworden. Ich muss gestehen, ich mochte es ihr nicht glauben, bis ich Lina selbst wiedersah.
Auch der Grund für meine Rückkehr erstaunte mich: Lina sollte heiraten, und ich wurde ersucht, die Wirtschafterin ihres neuen Haushalts zu werden. Das Eheversprechen war einem gutaussehenden jungen Mann namens Tibor Acahil gegeben worden, den ich nur vom Sehen kannte, aber es hieß, er sei von bodenständigem Gemüt und verfüge über einen bescheidenen, wenngleich gesicherten Wohlstand. Es fiel mir schwer, mir einen größeren Gegensatz zu Damek vorzustellen, und ich dachte, Lina müsste sich in der Tat verändert haben, um einen solchen Bund einzugehen.
Es war klug von Lina, sich von Masko zu entfernen, indem sie praktisch zur Herrin über die Manse wurde. Obwohl er offiziell weiterhin ihr Vormund blieb, stieg sie durch den Wegzug aus dem Roten Haus in der Achtung der Dörfler. Masko war es in seinen Jahren als Lord von Elbasa gelungen, jeden dazu zu bringen, ihn zu verabscheuen. Nicht einmal der niedrigste Lakai sprach seinen Namen, ohne auszuspucken. Im Gegensatz zum Master, der seinen Liebschaften stets diskret gefrönt hatte, stellte Masko die Frauen, die er aus dem Süden kaufte, schamlos zur Schau, um die Bewohner des Nordens vor den Kopf zu stoßen. Er nahm seine Dirnen sogar in die Kirche mit, womit er die Priester und Zauberer zu einer seltenen Einigkeit der Entrüstung anspornte.
Die Zauberer und die Priester dulden einander zähneknirschend, weil der König aus persönlichen Gründen darauf besteht. Allerdings ist es bestenfalls ein von Eifersüchtelei geprägter Friede. Es ist im Norden sprichwörtlich, dass die eine Seite grundsätzlich die gegensätzliche Meinung der anderen vertritt, egal, um was es auch geht.
In der Frage von Maskos skandalösem Verhalten jedoch traten Pater Cantor und der Zauberer Ezra gemeinsam vor dem König auf und forderten, dass Masko sein Eigentum aberkannt werden und er vom Plateau verbannt werden müsse. Ich hörte davon, während ich noch im Palast diente: Es sorgte für allerlei Klatsch, nicht nur, weil ein solcher Vorschlag noch nie unterbreitet worden war, sondern auch, weil der König das Gesuch ablehnte. Mich bestätigte dies in meiner Überzeugung – die Abscheu des Königs gegenüber Lord Kadar war dermaßen ausgeprägt, dass er sehen wollte, wie dessen Anwesen unter Maskos Verschwendungssucht und Misswirtschaft zugrunde ging. Der König hatte Maskos Wesen nur zu gut gekannt und ihn vorsätzlich auserkoren, um eben diesen Verlauf
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