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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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entfaltete sich im Leib meiner Herrin neues Leben.
    Natürlich musste ihr Gemahl eingeweiht werden, und er zeigte sich, wie ich es vorhergesagt hatte, entzückt von demGedanken, dass er bald Vater sein würde. Lina sprach nicht mehr mit mir über ihre Abneigung, ein Kind zu bekommen, und ich dachte, dass die Freude ihres Gatten ihre Ängste beschwichtigt hätte. Sie schien sich bester Gesundheit zu erfreuen, und durch den gesteigerten Appetit erlangte ihre Schönheit ein Strahlen, das ich seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr in ihrem Gesicht gesehen hatte.
    Erst im Sommer, als ihre Schwangerschaft bereits weit fortgeschritten war, fand ich heraus, dass ich mich geirrt hatte. Ich hielt mich in der Küche auf und bereitete die Mittagsmahlzeit zu, als Tibor zur Hintertür hereinkam und sich an den Tisch setzte. Das tat er oft, da er es genoss, müßig mit mir und den anderen Bediensteten zu plaudern, während er sein Gewehr reinigte oder seine Stiefel polierte, beides Aufgaben, die er bevorzugt selbst übernahm. An diesem Tag hatte er weder Stiefel noch Gewehr dabei; er saß nur am Tisch, starrte missmutig auf die Platte und bohrte mit einem Messer in das Holz. Ich war damit beschäftigt, einen Hasen auszunehmen, um einen Eintopf zuzubereiten, deshalb bemerkte ich sein Tun erst, als ich mit der Aufgabe fertig war. Da hatte er schon eine beträchtliche Narbe im Tisch hinterlassen.
    »Herrje, mein Herr!«, rief ich. »Sehen Sie nur, was Sie da machen!«
    Aus seiner Geistesabwesenheit gerissen schaute er erschrocken auf, dann lachte er freudlos. »Tut mir leid, Annie«, sagte er – denn so nannte er mich. »Ich wollte kein großes Loch machen.« Vergeblich rieb er mit den Händen über die kaputte Stelle. »Ich habe nur gerade an etwas anderes gedacht …« Er runzelte die Stirn und begann um ein Haar wieder, auf das Holz einzustechen. Als er bemerkte, was er gerade tun wollte, schob er das Messer von sich. Dann seufzte er tief, streckte sich auf dem Stuhl aus und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, bis sie ihm zu Berge standen.
    Ich erkannte, dass etwas nicht stimmte, wollte jedoch nicht danach fragen, und so entstand mehrere Minuten lang Stillezwischen uns. Ich spürte, dass er mich beobachtete, während ich Gemüse und Kräuter hackte, und ich hatte das Gefühl, er könnte jeden Moment das Wort ergreifen, aber erst, als ich den Topf in den Ofen schob, überwand er sich dazu.
    »Annie«, begann er. »Fändest du es seltsam, wenn eine Frau nicht Mutter werden wollte?«
    Ich stand mit dem Rücken zu ihm, was mir Zeit verschaffte, das umgehend einsetzende, ungute Gefühl zu überwinden, das seine Frage in mir auslöste.
    »Ich denke, es ist nur natürlich, dass sich eine Frau vor dem Kindbett fürchtet«, erwiderte ich. Dabei streckte ich den Rücken durch und strich meine Schürze glatt, begegnete jedoch nicht seinem Blick. Ich fühlte mich leicht verlegen, was er eindeutig ebenfalls war. Wenngleich ich Tibor mochte und er stets freundlich und offen mit mir umgegangen war, seit er damals in die Manse zog, waren unsere Gespräche nie vertraulich gewesen. »Sprechen Sie von der Herrin?«
    An der Stelle sah ich ihn doch an, und seine Jugend traf mich wie ein harter Schlag, als wäre ich wesentlich älter als er. Ja, er sah in jenem Augenblick wahrlich wie ein ratloser kleiner Junge aus. In Wirklichkeit konnte man ihn ebenso gerade erst einen ganzen Mann nennen, wie man mich gerade erst als Frau bezeichnen konnte.
    »Aye«, bestätigte er. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich von ihr rede. Aber du kennst sie schon lange, und manchmal verstehe ich sie einfach nicht.«
    »Was verstehen Sie nicht?«
    »Sie sagt, sie würde sich das Kind aus dem Leib reißen, wenn sie könnte. Sie sagt, sie will keine Mutter werden und hasst es, das Kind in sich zu fühlen. Gewiss ist es wider die Natur, dass eine Frau solche Dinge sagt. Gewiss ist doch jede Frau auf der Erde, um Kinder zu gebären, und sollte sich freuen, wenn sie ihr Schicksal erfüllt, oder?«
    Mich entsetzte, was er über Linas Gefühle berichtete, doch ich versuchte, zu verbergen, was ich empfand. Und so erwiderte ich, dass ihr ob ihrer Angst vielleicht Dinge herausrutschten, die sie nicht wirklich meinte. Und ich erinnerte ihn daran, dass ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben war, was jede Frau dazu bewegen könnte, schlecht über die Mutterschaft zu denken.
    Er nickte zweifelnd und blieb noch eine Minute lang schweigend sitzen, die Stirn in Falten

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