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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Ruheständlerin aus Gertenbeck, die stundenweise am Empfang arbeitete und von dort aus sein Parkmanöver beobachtet hatte, verkniff sich jeden Kommentar. Stattdessen schenkte sie ihm ein herzliches Lächeln.
    »Guten Tag, Herr Baar. Soll ich Sie bei Ihrem Vater anmelden?«
    »Ich suche meinen Bruder Roland. Ist der hier?«
    »Ja, er müsste noch irgendwo im Gebäude sein. Ich habe ihn vor ein paar Minuten im Büro Ihrer Schwester gesehen. Soll ich kurz durchrufen und nachfragen?«
    »Nein, danke. Ich versuche es einfach da.«
    Marius durchquerte die Halle und ging zum Treppenhaus. Nicoles Büro lag im ersten Stock. Die Etage war offen und transparent konstruiert, es gab gläserne Wände, helles Holz und überall Begrünung. So konnte Marius seine Geschwister bereits vom Flur aus in Nicoles Büro sehen. Sie standen mit verschränkten Armen am Fenster und redeten miteinander. Ihren Gesichtern nach zu urteilen war es ein ernstes und vertrautes Gespräch. Eigentlich ganz untypisch für sie, denn die beiden hatten doch nie einen guten Draht zueinander gehabt. Was gab es denn da so Wichtiges zu besprechen? Irgendwie wirkte das alles auf Marius seltsam konspirativ.
    Er ging zur Tür, klopfte an und betrat im nächsten Moment den Raum. Nicole und Roland sahen ihn erschrocken an und verstummten augenblicklich. Roland wirkte sogar bestürzt über sein Auftauchen. Sie hatten über ihn geredet, darauf hätte er schwören können.
    Er fragte sich, was hier passierte. Ein Gedanke stahl sich in seinen Kopf: Wussten die beiden etwa, was er und Nathalie planten? Wussten sie von seiner Flucht aus der Verantwortung? Vom Verzicht auf sein Erbe? Er hatte mit keinem darüber gesprochen. Aber Nicole wusste von Nathalies Existenz. Möglich, dass sie Nachforschungen angestellt und mit Nathalies Freunden gesprochen hatte…
    Er wischte den Gedanken beiseite. Das war doch völlig absurd, was er sich hier zusammenphantasierte.
    Nicole, die immer noch aussah, als wäre sie bei etwas Verbotenem ertappt worden, ging zum Angriff über.
    »Was willst du denn hier?«, bellte sie ihn an. »Bist du nicht in Münster?«
    Marius ignorierte sie. Das war meistens ohnehin das Beste. Er wandte sich stattdessen an Roland.
    »Hast du dein Matheprojekt vergessen?«, fragte er.
    »Au, verdammt!« Roland schlug sich die Hand gegen die Stirn. »Das wollten wir ja heute machen. Ich…«
    Er sah hilfesuchend zu Nicole, doch die blickte steinern an ihm vorbei. Marius deutete auf die Schultasche, die Roland auf dem Rücken trug.
    »Hast du deine Sachen denn dabei?«, fragte er.
    »Ähem… Ja, ich glaube schon.«
    »Dann können wir das Ganze ja auch hier machen. Ich würde das gerne hinter mich bringen.«
    »In meinem Büro?«, mischte sich Nicole ein. »Das glaubst du ja wohl selbst nicht.«
    »Der Konferenzraum ist doch sicher frei. Komm schon, Roland. Da stören wir keinen. Und Frau Gärtner wird uns bestimmt einen Kaffee kochen.«
    Marius verließ grußlos Nicoles Büro und steuerte den Konferenzraum an. Roland folgte ihm schweigend. Das vertrauliche Gespräch, das Marius beobachtet hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Worüber mochten die beiden gesprochen haben?
    Er trat in den verwaisten Konferenzraum. Ein riesiger Tisch aus teurem Tropenholz bestimmte das Bild. Dezente Gemälde, ein dicker Teppich, Designerlampen. Eigentlich war der Raum für Kundengespräche gedacht. Aber es würde schon keiner was dagegen haben.
    »Also gut«, sagte Marius und schloss die Tür. »Dann bringen wir es hinter uns.«
    Bei geschlossener Tür war es im Konferenzraum still wie in einem Grab. Marius wünschte sich, es gäbe ein Radio, das er einschalten könnte. Roland setzte sich an den Tisch und zog wortlos seine Unterlagen hervor.
    »Dann zeig mal her«, sagte Marius. »Worum geht es denn überhaupt in dem Projekt?«
    Er nahm Rolands fleckige Arbeitsblätter entgegen und betrachtete sie. Während er die Projektskizze las, spürte er, wie Roland ihm verstohlen Blicke zuwarf.
    »Sag mal, Roland, ist alles in Ordnung?«
    »Klar«, brummte sein Bruder und fixierte mit düsterem Gesicht die Tischplatte.
    »Hier stimmt doch etwas nicht. Raus mit der Sprache. Geht es um das Projekt?«
    Doch Roland hielt den Blick starr auf die Tischplatte gerichtet.
    »Jetzt sprich mit mir! Was ist denn los?«
    Er schnaubte. »Denkst du, wir wissen nicht Bescheid?«
    »Bescheid worüber?«
    »Na, deine Kanakenbraut.«
    »Meine… was? « Marius glaubte sich verhört zu haben.
    »Na, die kommt doch aus

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