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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Afrika, oder?«
    »Nicole hat dir also von meiner Freundin erzählt. Was hat sie denn gesagt?«
    Er antwortete nicht.
    »Sie kommt aus Essen«, sagte Marius gereizt.
    »Ich mein, wo sie aufgewachsen ist.«
    »In Essen! «
    Was sollte das? Wollte Roland ihn auf den Arm nehmen? Hatte er plötzlich was gegen Ausländer?
    »Ihr Vater ist Ingenieur, und ihre Mutter, die aus Kenia stammt, arbeitet in einem Kindergarten. Worüber reden wir hier eigentlich?«
    »Ich mein ja nur. Papa findet das bestimmt nicht so toll, wenn du mit so einer auftauchst.« Endlich blickte er Marius direkt ins Gesicht. Verachtung spiegelte sich darin. »Und ich auch nicht.«
    Marius konnte nicht glauben, was er hier hörte.
    »Wie bitte? Ist das dein Ernst? Willst du mich verarschen?«
    Roland verschränkte grimmig die Arme.
    »Geht es hier wirklich darum, dass sie Mulattin ist?«, fragte Marius. »Dass ihre Mutter aus Kenia stammt?«
    »Ich sag nur, dass Papa ausflippen wird. Es reicht doch schon, dass die sich hier überall ausbreiten und unseren Sozialstaat kaputt machen. Da musst du doch nicht auch noch mit so einer auftauchen. Wem willst du damit was beweisen?«
    »Unseren Sozialstaat kaputt machen?« Marius lachte auf. Er konnte nicht anders. Das war alles so absurd. »Wer erzählt dir denn so einen Scheiß?«
    »Tu doch nicht so überheblich. Du hast doch keine Ahnung. Ich weiß genau, was abgeht. Guck dich doch mal um da draußen. Die kommen hier illegal rein, holen ihre ganze Sippe nach, vermehren sich wie die Karnickel und nehmen uns die Jobs weg. Oder sie ruhen sich schön in der sozialen Hängematte aus, mit einem Stall voll Kindern, und wir dürfen das dann alles zahlen. Und du lachst dir auch noch so eine an, nur um Papa eins auszuwischen. Du bist doch abartig.«
    Das Lachen war Marius endgültig im Hals stecken geblieben. Fassungslos betrachtete er seinen Bruder.
    »Was hast du eigentlich für rechtsextreme Ansichten?«, fragte er.
    Roland antwortete nicht.
    »Wir reden hier über meine Freundin. Sie heißt Nathalie.« Er fasste Roland an die Schultern und sah ihn an, doch der hielt seinem Blick nicht stand, sondern starrte an ihm vorbei.
    »Vergiss doch mal kurz den ganzen Scheiß«, sagte Marius eindringlich. »Nathalie ist meine Freundin . Sie ist einfach großartig. Witzig, großzügig. Sie ist viel zu gut für mich. Ich weiß gar nicht, womit ich sie verdient habe. Oder was sie an mir findet. Aber sie und ich, das ist eine Sache… So etwas hatte ich noch nie bei einer Frau.«
    Roland mied weiterhin jeden Blickkontakt. Die Worte zeigten keine Wirkung. Doch Marius wollte ihn unbedingt erreichen. Der alten Zeiten wegen. Sie waren doch mal unzertrennlich gewesen.
    »Roland, bitte. Ich bin es, Marius. Möchtest du Nathalie denn gar nicht kennenlernen? Die Freundin deines Bruders? Hör doch, was ich sage. Ich bin total verknallt. Sie ist einfach… großartig.«
    Jetzt sah Roland ihm in die Augen. Seine Züge verhärteten sich. Entschlossenheit trat in sein Gesicht.
    »Keine Ahnung, wem du was beweisen willst. Aber mich machst du nicht zu deinem Komplizen.«
    Marius begriff, er hatte keine Chance. Ganz egal, was er auch sagen würde. Roland würde nicht einmal zuhören.
    Nicole. Plötzlich verstand Marius, was es mit den heimlichen Gesprächen auf sich hatte. Nicole hatte offenbar Rolands Hass auf Ausländer gekannt. Für sie war er nur eine Spielfigur, die sie strategisch einsetzen konnte. Ihr Vater würde von Nathalie erfahren, wenn die Zeit reif war. Doch zuvor hatte sie Roland ins Spiel geschickt. Die Perfidie dieses Planes erfüllte Marius mit Abscheu.
    Er wollte weg von hier, so schnell wie möglich.
    Schwungvoll schob er die Arbeitsunterlagen von sich. Sie segelten quer über den Tisch. Sollte Roland doch in seinem blöden Leistungskurs untergehen. Ihm war das egal. Gut möglich, dass Nicole sein Handeln vorausgesehen hatte. Vielleicht wäre das ein Teil ihres Spiels, wenn er jetzt aufstand und Roland sitzen ließ. Aber das war ihm egal. Er musste hier raus.
    »Du bist doch krank, Roland. Total krank.«
    Er sprang auf und ging zur Tür. Sein Bruder blieb sitzen. Düstere Entschlossenheit beherrschte sein Gesicht. Offenbar war er bereit, für seine Überzeugungen den Preis einer misslungenen Projektarbeit zu zahlen.
    »Mein Gott, was bist du für ein Idiot!«, rief Marius und stürmte hinaus.

12
    Das Paulinum lag nur einen Steinwurf vom Landgericht entfernt. Vom Parkplatz des Gymnasiums aus konnte Hambrock hinauf zu den

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