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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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geblieben. Er hockte hier plötzlich vorm Haus und wusste nicht wohin. Er hat doch keine Eltern mehr.«
    »Bernhard, du bist Polizist. Jeden Tag hast du mit Leuten zu tun, die nicht wissen wohin. Wenn du jetzt anfängst, die alle mit nach Hause zu nehmen, was soll denn das hier werden? Machen wir dann eine Sozialstation auf? Oder ein Obdachlosenasyl?«
    »Jetzt hör schon auf. Es ist doch nur für eine Nacht. Morgen lasse ich mir etwas einfallen.«
    »Du lässt dir also etwas einfallen? Bernhard, du bist doch kein Sozialarbeiter. Dafür gibt es Stellen. Du kannst solche Leute vermitteln, du weißt, wer sich um so jemand kümmert. Darum kannst du dich doch nicht selber kümmern. Wo soll das hinführen?«
    »Elli, bitte. Lass gut sein. Es ist nur dieses eine Mal, versprochen.«
    Nach kurzem Zögern hatte Erlend die Sache auf sich beruhen lassen. Doch Hambrock war die skeptische Falte auf ihrer Stirn nicht entgangen, die erst verschwunden war, als sie das Licht gelöscht und sich auf die andere Seite gelegt hatte.
    Fabio setzte sich an den Frühstückstisch, und Erlend goss ihm Kaffee ein.
    »Möchtest du ein Croissant?«, fragte sie. »Die sind lecker, wir haben hier den besten Bäcker in der ganzen Stadt.«
    Fabio lächelte. »Sie haben einen lustigen Akzent.«
    »Ja, und den werd ich wohl nie los. Ich habe ein umfangreiches Vokabular, und was die Grammatik angeht, da stecke ich diesen Morgenmuffel da vorne locker in die Tasche«, sagte sie und deutete auf Hambrock. »Aber trotzdem wird man immer sofort hören, dass ich Niederländerin bin. Das Deutsche muss man hart sprechen, mit offenen Vokalen. Ich werd’s nie lernen.«
    Sie lächelte wieder strahlend, stellte ihr Gedeck zusammen und trug es zur Spüle. Fabio schien sich in ihrer Gegenwart wohlzufühlen, und Hambrock war seiner Frau dankbar, dass sie den Jungen ihre Vorbehalte nicht spüren ließ.
    Erlend warf einen weiteren Blick zur Uhr. »Für mich wird es Zeit«, sagte sie. »Was ist mit dir, Fabio? Musst du nicht in die Schule?«
    Fabio senkte den Blick, und Hambrock beeilte sich zu sagen: »Ich fahr dich gleich zu dem Projekt, Fabio.«
    »Dem Projekt?«, fragte Erlend.
    »Das ist für Leute, die nicht zur Schule gehen«, sagte Fabio verlegen. »Damit die einen Abschluss kriegen.«
    Erlend wechselte einen kurzen Blick mit Hambrock.
    »Ein Schulabschluss ist immer gut«, sagte sie. »Da wünsch ich dir viel Erfolg. So. Ich muss euch jetzt alleine lassen. Sonst komme ich noch zu spät.«
    »Geh ruhig«, sagte Hambrock. »Ich kümmere mich um die Küche. Zeit genug hab ich ja.«
    Nachdem Erlend gegangen war, machte sich Hambrock daran, die Spülmaschine einzuräumen. »Am besten machen wir uns auch gleich auf den Weg«, sagte er. »Dann kannst du mit den Sozialarbeitern alles regeln. Wenn sie einen Platz für dich haben, kann alles ganz schnell gehen.«
    Fabio sagte nichts dazu. Er rutschte etwas unsicher auf seinem Stuhl herum. Hambrock ahnte schon, was ihm durch den Kopf ging.
    »Was deine Oma angeht, lasse ich mir was einfallen«, sagte er. »Ich habe heute frei. Da kann ich ein paar Telefonate führen. Irgendeine Lösung findet sich bestimmt.«
    Fabio nickte. Er schien nicht überzeugt zu sein.
    »Das Jugendamt kann mal mit ihr reden. Vielleicht wissen die eine Lösung. Und wenn wirklich gar nichts zu machen ist, ist das auch kein Weltuntergang. Dann gibt es immer noch so etwas wie Betreutes Wohnen. Da würdest du mit anderen Jugendlichen in einer Wohngemeinschaft wohnen, die von Sozialarbeitern betreut wird. Ich will dir nichts versprechen, aber bestimmt findet sich da irgendwo ein Platz.«
    »Wie lange würde das denn dauern?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht. Aber sicher nicht zu lange.«
    Fabio schwieg. Offenbar hatte er auf eine andere, schnellere Lösung gehofft.
    »Was soll ich denn so lange machen?«, fragte er.
    »Ein paar Tage wirst du es bei deiner Oma wohl noch aushalten, oder? Es ist ja nur für kurz. Und du weißt, danach wird sich etwas ändern.«
    Fabios Züge verhärteten sich. Er nickte wieder. Ganz der kleine Kämpfer. Es brach Hambrock beinahe das Herz.
    »Ich kann dich hier nicht aufnehmen«, sagte er, obwohl er am liebsten genau das getan hätte. »Es geht nicht. Ein paar Tage, mehr nicht. Bis dahin findet sich eine Lösung.«
    Fabio wirkte plötzlich ganz verloren. »Danke für Ihre Hilfe«, sagte er höflich. »Ich wüsste nicht, was ich sonst machen würde.«
    Nach dem Frühstück brachte Hambrock den Jungen zu dem

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