Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
Vom Netzwerk:
kein Missverständnis ist?«
    Sie wirkte unsicher. »Das war ein offenes Geheimnis. Marius hatte eine Freundin, und mit der wollte er durchbrennen. Doch dazu ist es nie gekommen.«
    »Er wollte durchbrennen? Mit Nathalie Brüggenthies?«
    »Ich weiß nicht, wie diese Freundin hieß. Aber ja, er wollte wohl abhauen. Keine Ahnung, ob ihm das wirklich Ernst war. Vielleicht wollte er auch nur gegen seinen Vater rebellieren. Ich möchte nicht zu viel auf Gerüchte geben. Ich fand einfach nur erschreckend, wie Nils über den gewaltsamen Tod seines Bruders dachte. Als ob Marius selbst schuld wäre, als ob die Todesstrafe darauf stünde, sich mit dem eigenen Vater anzulegen. Das ist doch furchtbar. Was muss das für ein Klima bei denen zu Hause sein?«
    Hambrocks Gedanken rasten. Erst die Sache mit der Taube und jetzt dies. Er musste mit Nathalie reden. Es gab einiges, was sie ihm zu erklären hatte. Die Geschichte wurde immer verworrener. Außerdem fragte er sich, warum Roland nichts davon gesagt hatte. Diese Tatsache warf auch auf dessen Rolle ein neues Licht. Sein Bruder wollte mit einer Mulattin durchbrennen. Ausgerechnet für eine dunkelhäutige Frau wollte er die Familie und das Unternehmen hinter sich lassen. Das musste ihn rasend gemacht haben.
    »Danke für den Hinweis, Mechtild«, sagte er. »Du hast recht, ich sollte wohl zuerst mit den Eltern sprechen, bevor ich mir Nils vornehme.«
    »Ich bin ganz durcheinander, Bernhard. Ich dachte, ihr wusstet das. Gibt es denn neue Erkenntnisse in dem Fall? Hat das vielleicht was damit zu tun? Wir dachten ja alle, das wäre eine Affekttat gewesen, für die es kein wirkliches Motiv gab. Waren das denn gar nicht die drei Schläger, die Marius getötet haben?«
    Jetzt war es Hambrock, der sie mit einem freundlichen Lächeln abspeiste. Mechtild begriff, was passierte. Sie konnte sich ein trockenes Lachen nicht verkneifen.
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Da muss ich mich wohl an die Pressestelle der Polizei wenden.«
    »Trotzdem danke für den Hinweis, Mechtild. Du hast was bei mir gut. Ich muss jetzt weiter. Wenn ich das nächste Mal komme, bringe ich etwas mehr Zeit mit. Dann können wir einen Kaffee trinken und über alte Zeiten plaudern.«
    »Das machen wir, Bernhard. Grüß deine Frau von mir.«
    Er wandte sich zum Gehen, als ihm noch etwas einfiel.
    »Ach, Mechtild … Noch eine ganz andere Sache. Du kennst dich doch aus in den Einrichtungen der Jugendhilfe in Münster, nicht wahr?«
    »Natürlich. Wieso fragst du?«
    »Na ja. Es gibt da einen Jungen, für den ich mich verantwortlich fühle. Seine Mutter ist vor Kurzem ermordet worden, und sein Vater sitzt deswegen im Knast. Das war mein Fall. Er lebt jetzt bei seiner Oma, aber da kann er nicht bleiben. Alkoholikerin, du weißt schon. Da muss was passieren.«
    »Sieh an, sieh an. Der Kommissar hat ein Herz.«
    »Jetzt hör schon auf mit dem Unsinn. Gib mir lieber einen Tipp. Es gibt doch Einrichtungen für Betreutes Wohnen. Wie mach ich das am besten? Kannst du da eine empfehlen?«
    »Die sind alle in Ordnung. Was glaubst du denn? Schalte einfach das Jugendamt ein. Die kümmern sich schon.«
    »Komm schon, Mechtild, wir sind doch unter uns. Er soll gut aufgehoben sein. Mir liegt was an dem Jungen.«
    »Es gibt da einen Bauernhof in Mecklenbeck, da arbeitet eine Freundin von mir. Eine schöne Einrichtung, ganz klein und intim. Das sind gute Leute, die da arbeiten. Wenn ich mich nicht irre, haben die gerade einen freien Platz. Ich hör mich mal um.«
    »Das wäre schön. Rufst du mich an?«
    »Das mach ich.« Ein nachdenkliches Lächeln trat in ihr Gesicht. »Ein Junge, sagst du? Wie alt ist er?«
    Mechtild wusste von seinem unerfüllten Kinderwunsch. Er ahnte, was ihr durch den Kopf ging. Doch darauf wollte er nicht eingehen. Das war ihm zu privat.
    »Er ist vierzehn«, sagte er knapp. »Er soll einfach gut untergebracht werden, damit ich den Fall endlich abschließen kann.«
    »Natürlich, Bernhard.« Doch das Lächeln blieb. »Ich rufe dich an.«
    Er bedankte sich eilig und verließ das Gebäude. Draußen ärgerte er sich über seine Reaktion. Damit hatte er nur ihren Verdacht bestätigt.
    Er wollte nicht länger darüber nachdenken. Schließlich hatte er wichtige Informationen bekommen. Er würde nach Münster fahren und Nathalie Brüggenthies befragen. Das hatte jetzt Priorität.
    Im Wagen merkte er, dass ihm zwei Anrufe entgangen waren. Beide Male war es Guido Gratczek gewesen. Bevor er den Motor anließ, drückte er die

Weitere Kostenlose Bücher