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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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gewaltig zum Narren«, sagte er.
    »Ja«, meinte Hambrock. »Die Frage ist nur, wer.«
    »Also nehmen wir uns noch mal Nathalie vor. Aber diesmal fassen wir sie nicht mit Samthandschuhen an.«
    Keller fuhr von der Auffahrt und setzte den Blinker.
    »Fahr doch bitte am Bahnhof vorbei«, sagte Hambrock. »Ich möchte den Ort noch mal auf mich wirken lassen.«
    »Wenn du meinst.«
    Keller änderte die Richtung, und sie steuerten den nur wenige hundert Meter entfernten Bahnhof an. Das Gelände lag wie ausgestorben da. Keine Menschenseele war zu sehen. Die Züge fuhren stündlich, offenbar dauerte es noch eine Weile bis zur nächsten Abfahrt.
    Keller parkte neben der Radstation. Gerade wollte Hambrock die Tür öffnen, als er eine einzelne verlorene Gestalt auf dem Bahnsteig entdeckte. Es war Nils.
    »Sieh an«, meinte Keller. »Der Matheunterricht muss also ohne ihn stattfinden.«
    »Was hat er wohl vor? Will er den ganzen Tag schwänzen und nach Münster fahren?«
    Nils hatte sie nicht bemerkt. Er schlenderte gedankenverloren über das Gleis. Schließlich trat er unter dem Holzdach hervor und ging zu der Stelle, an der Marius getötet worden war. Er hockte sich hin und fuhr mit der Hand über das Pflaster.
    »Vielleicht sollten wir die Gelegenheit nutzen und ein paar Worte mit ihm wechseln«, meinte Keller.
    »Ja, das denke ich auch. Auf die Gefahr hin, dass Klaus Baar uns die Hölle heißmacht.«
    »Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Junge etwas über die Sache weiß. Es würde mich nicht wundern, wenn er uns sagen kann, was tatsächlich in der Tatnacht passiert ist.«
    Sie stiegen aus dem Wagen ins Freie. In diesem Moment entdeckte Nils sie. Er sprang auf, stopfte die Hände in seine Hosentaschen, wandte sich ab und lief eilig davon.
    »Er will abhauen«, sagte Keller. »Sollen wir ihn uns schnappen?«
    Hambrock wusste nicht, ob das eine gute Idee war. Schließlich war der Junge minderjährig. Und Klaus Baar würde es nicht einfach auf sich sitzen lassen, wenn sie ihn ohne sein Wissen befragten. Bevor er sich zu einer Entscheidung durchringen konnte, machte sich sein Handy bemerkbar.
    »Warte kurz«, sagte er. Es war eine unbekannte Nummer mit Münsteraner Vorwahl. Mit einem Stirnrunzeln nahm er das Gespräch entgegen. Eine junge Frauenstimme meldete sich am anderen Ende.
    »Hier ist Schwester Peggy von der Raphaelsklinik Münster. Spreche ich mit Bernhard Hambrock?«
    »Ja. Ist etwas passiert?«
    »Wir haben hier einen jungen Mann in der Notaufnahme. Keine Angst, es geht ihm gut. Er hat ein paar Prellungen und eine Schnittwunde im Gesicht. Nichts Dramatisches. Aber er muss erst mal hierbleiben. Er heißt Fabio Deiters und hat Sie als Kontaktperson angegeben. Er sagt, er hätte keine Familie. Können Sie das bestätigen?«
    »Fabio? Und es geht ihm gut, sagen Sie? Was genau ist passiert?«
    »Er ist wohl in eine Schlägerei geraten. Aber seine Verletzungen sind nicht schwerwiegend. Trotzdem wäre es besser, wenn Sie kommen würden. Er fragt die ganze Zeit nach Ihnen.«
    »Ich mache mich sofort auf den Weg. In einer halben Stunde bin ich da.«
    Er beendete das Gespräch und sah zum Bahnhof hinüber. Nils war verschwunden. Damit war ihnen die Entscheidung abgenommen worden.
    »Wir müssen nach Münster«, sagte er. »Tut mir leid, Henrik, aber es geht nicht anders.«
    In der Notaufnahme herrschte Hochbetrieb. Ärzte und Pfleger hasteten über die Gänge, Rettungsfahrer schoben Patienten vor sich her, und den Wartebereich bevölkerte eine illustre Ansammlung von Menschen. Die Klinik befand sich mitten in der Stadt, hierher kamen die Obdachlosen und Junkies. Alte Leute aus dem nahe gelegenen Seniorenheim, Touristen, die sich ihren Aufenthalt in der Domstadt wohl anders vorgestellt hatten, und die sozial schwachen Bewohner der Bahnhofsgegend.
    Eine Schwester führte Hambrock zu Fabio. Er lag allein in einem Zweibettzimmer und wurde gerade von einer älteren Ärztin mit einem zerfurchten Gesicht untersucht.
    »Herr Hambrock«, sagte Fabio strahlend, als er eintrat. »Sie sind gekommen.«
    »Natürlich. Was ist denn passiert?«
    »Der junge Mann ist von Rechtsradikalen angegriffen worden«, sagte die Ärztin. »Ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist.«
    »Von Rechtsradikalen?« Er fixierte Fabio, der schuldbewusst zu Boden sah. »Wieso denn das?«
    »Ein paar Prellungen und Stauchungen, aber kein Bruch«, fuhr die Ärztin fort. »Und die Schnittwunde war nur oberflächlich. Wir haben sie mit ein paar Stichen

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