Landgericht
Rotzbengel daraus lernen, ist, dass sie machen können, was sie wollen, ohne ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen.«
Er beugte sich vor und starrte die Kommissare mit seinen wasserblauen Augen an. »Diese Burschen haben meinen Sohn auf dem Gewissen. Damit dürfen sie nicht durchkommen.«
»Wir haben keinen Einfluss auf die Rechtsprechung, Herr Baar. Aber wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die wahren Täter einem Urteil zuzuführen.«
»Die wahren Täter!« Er schnaubte verächtlich.
»Dann setzen wir uns doch am besten mit den Vorwürfen auseinander, um sie zu entkräften«, schlug Hambrock in der Hoffnung vor, ihn auf diesem Wege zugänglicher zu machen. »Sprechen wir noch einmal über die Tatnacht. Ihr Sohn ist mit dem letzten Nachtzug nach Gertenbeck gefahren. Was wollte er eigentlich hier?«
»Was ist das denn für eine Frage? Was soll er schon gewollt haben? Er ist nach Hause gefahren. Er wohnt hier!«
»Aber hat er denn zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch hier gewohnt?«, fragte Keller.
Das Gesicht des Patriarchen verdunkelte sich.
»Es tut uns sehr leid, aber wir müssen diese Fragen stellen«, lenkte Hambrock ein. »Wir wissen, dass Sie und Ihr Sohn einen Streit hatten. Marius wollte mit seiner Freundin nach Berlin ziehen. Sie haben ihn daraufhin vor die Tür gesetzt.«
»Das waren doch alles Kindereien«, sagte Klaus Baar. »Marius wollte ein bisschen rebellieren, das ist ganz normal in dem Alter. Ja, ich habe ihn vor die Tür gesetzt, aber nur, um ihm eine Lektion zu erteilen.«
»Soweit wir wissen, wollte Marius das allerdings durchziehen. Es gab schon eine Wohnung, und die Umzugskisten waren gepackt.«
»Nein, das sehen Sie falsch. Marius hat am Ende eingelenkt. Weshalb hätte er sonst hierherfahren sollen? Er ist wieder bei uns eingezogen. Er hat die Sache mit Berlin abgehakt.«
Klaus Baar bemerkte die ungläubigen Gesichter der Kommissare.
»Wir haben miteinander gesprochen«, sagte er. »Marius und ich haben uns ausgesöhnt. Ich habe bei ihm sicherlich ein paar Fehler gemacht. Vielleicht habe ich ihn manchmal zu hart rangenommen. Aber er war bereit, zurückzukommen. Er hat es sich noch einmal überlegt.«
»Weiß Nathalie Brüggenthies das auch?«, fragte Keller.
»Seine Freundin? Sicher, davon gehe ich aus. Ich habe Marius gesagt, wir werden dieses Mädchen bei uns willkommen heißen. Wenn sie die Frau ist, die er liebt, dann werde ich mich nicht querstellen, habe ich gesagt. Das bringt ja auch nichts. Sicher, ich hätte mir eine andere Schwiegertochter gewünscht, da bin ich ganz ehrlich. Aber ich habe eingesehen, dass ich ihm da keine Vorschriften machen kann.«
»Frau Brüggenthies hat unserer Kenntnis nach bis zum Schluss geglaubt, dass sie und Marius nach Berlin gehen würden«, sagte Hambrock.
»Tatsächlich? Dann hat er ihr wohl doch nichts davon gesagt. Vielleicht hatte er es noch vor. Ich wollte mich da nicht einmischen. Das war seine Angelegenheit.«
»Kann irgendjemand bezeugen, dass Marius es sich anders überlegt hat? Ich muss gestehen, wir hören zum ersten Mal davon.«
»Fragen Sie meine Frau. Zwei Tage vor seinem Tod ist er hier wieder aufgetaucht. Er ist zurückgekommen. Und wollte bleiben.«
»Um das Unternehmen eines Tages zu übernehmen.«
»Ganz richtig. Hier ist sein Platz im Leben. Das hat er schließlich begriffen. Insofern dachte ich, die ganze Sache hätte auch ihr Gutes. Marius hat endgültig eine Entscheidung getroffen. Er hat sich für das Unternehmen entschieden.«
Nach der Befragung verabschiedeten sie sich. Als sie in die Vorhalle traten, warf Hambrock einen Blick zu der Tür, hinter der Nils verschwunden war.
»Ist Ihr Sohn Nils noch da? Dürften wir vielleicht kurz mit ihm sprechen?«
Die Hausherrin tauchte hinter ihnen auf.
»Er ist zur Schule gegangen«, sagte sie. »Die zweite Stunde fängt gleich an, da hat er Mathematik.«
»Was wollen Sie denn von Nils?«, fragte Klaus Baar und legte einen drohenden Tonfall in seine Stimme.
»Nichts Wichtiges. Wie auch immer. Falls Ihnen noch etwas einfällt, Herr Baar, rufen Sie uns bitte an. Jeder Hinweis kann nützlich sein.«
»Ach, Unfug!«, sagte Klaus Baar. »Sorgen Sie einfach dafür, dass sich diese drei Schläger nicht aus der Sache rauswinden können. Mehr verlange ich gar nicht.«
Draußen stiegen Hambrock und Keller wieder ins Auto. Die Unternehmervilla stand kalt und abweisend im grauen Morgenlicht. Keller ließ den Motor an.
»Irgendjemand hält uns hier
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