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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Dunhams,
    gegeben wurde, auf einem alten, mit gestreiftem Satin be-
    zogenen zweisitzigen Sofa – man nannte es Liebessofa – am

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    Rande der Tanzfläche neben ihm saß. Vanessa hatte sich zu
    ihm gesetzt und sagte mit leiser Stimme: «Wir sollten uns
    mal zum Lunch treffen.»
    Zu berra
    ü
    scht, um eine ausweichende Antwort zu fin-
    den, fragte Owen: «Warum?»
    Auf diesen Schnitzer reagierte sie mit einem langsamen,
    gebremsten Lächeln. Die ungleichmäßigen Zähne hatten
    ihr zu einer seltsamen Quelle der Macht verholfen: Es war
    die Seltenheit ihres Lächelns. «Normalerweise gibt es nur
    einen Grund, oder? Um zu sehen, ob man sich wieder zum
    Lunch treffen möchte.»
    Zögernd jetzt, abgelenkt von dem Anblick seiner gro-
    ßen, langhalsigen Frau, die, keine drei Meter entfernt, mit
    Vanessas vornübergebeugtem, ohne Rhythmus stolpern-
    dem Ehemann tanzte, fragte er: «Macht man das so?» Phyl-
    lis blickte stoisch über Henrys Kopf hinweg; der im
    H mel
    wusste, was sie gerade dachte.
    Vanessa drückte mit einer stoßenden Bewegung ihrer
    Zigarette, einer extralangen Pall Mall, ihre Ungeduld aus.
    «Owen, warum spielst du immer den Unschuldigen? Du
    bist nicht unschuldig.»
    «Nein? Ich fü l
    h e mich noch unsc u
    h ldig. Woher weißt
    du, dass ich es nicht bin?»
    «Alle wissen das, du Dummer.» Ihre Männerstimme
    wurde schroff. «Spiel nicht mit mir rum, sonst kommen wir
    nicht weiter.»
    «Du meinst Faye?»
    «Und andere, nach Faye. Faye war der Anfang. Wir müs-
    sen alle einen Anfang machen.»
    «Du auch?»
    Vanessa sagte nichts, inhalierte nur den Rauch und ließ
    ihn aus den Nasenlöchern, vor ihrem langsamen Lächeln,

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    aufsteigen. Er begann sie zu sehen – ihre kleine hübsche
    Katzennase, die dichten dunklen Augenbrauen, ungezupft
    und strichgerade über ihren Augen, ihren vollen Mund,
    gespannt und im Moment leicht verzogen durch ein un-
    freiwilliges Lächeln. Er fühlte sich abrupt zugelassen zu
    einer zu großen Intimität, in der er in Gefahr war, lediglich
    herumzuplappern. Um etwas zu sagen, sagte er das, was
    ihm als Erstes in den Sinn kam: «Vermutlich fragst du dich,
    wieso ich je eine andere Frau ansehen konnte, wenn doch
    Phyllis so reizend ist.»
    «Wir wissen, dass du sie reizend findest, das ist richtig
    rührend. Und ich nehme an, sie ist es auch, aber ehrlich ge-
    sagt ist sie nicht mein Typ – zu intellektuell. Sie ist nie von
    der Universität losgekommen. Aber hier wundert sich nie-
    mand über das, was du erwähnt hast. Sie schert sich einen
    Dreck um dich. Sie interessiert sich für keinen, ehrlich, au-
    ßer für ihre Kinder – bis zu einem gewissen Grad. Sie ist so
    ungefähr die isolierteste Person, die ich kenne.»
    «Isoliert.»
    «Eingesponnen in sich selbst.»
    Das alles war faszinierend für Owen – eine Wegbeschrei-
    bung aus seinen Schuldgefühlen heraus, vorgelegt von
    einer Frau, die er kaum kannte. Andere Gäste, die ihren
    Gesichtern ansahen, dass ihr Gespräch eine hitzige Tiefe
    erreicht hatte, vermieden es, zu ihnen zu treten. Er sag-
    te rasch: «Okay, treffen wir uns irgendwann zum Lunch.
    Weit außerhalb der t
    S adt, und nicht in Hartford. Was denkt
    Henry?»
    «Worüber, Lieber?»
    «Über Phyllis und mich und was weiß ich.»
    «Henry und ich sprechen über nichts. Das ist das Schö-
    ne daran.»

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    «Ich habe mich oft gefragt, was das Schöne daran ist»,
    gestand Owen. Es gefiel ihm, wie er das so schnell, so tro-
    cken sagte; er hatte a
    d s Gefühl, dass er binnen weniger ge-
    stohlener Minuten lernte, mit dieser Frau zu tanzen.
    «Geht mir ebenso», sagte Vanessa und klopfte die Asche
    von ihrer Pall Mall. Die Musik hörte auf, und ihre Ehe-
    partner kamen auf sie zu. Henry und Phyllis lachten, beide
    erleichtert, dass der Tanz vorbei war, und blinzelten blind
    im Licht der Strobe-Lights, die die Oglethorpes in ihrem
    Wunsch, es allen recht zu machen, für den Abend installiert
    hatten.
    Die Lektion, die Owen von Vanessa lernte, war überra-
    schend: Maskuline Frauen hatten großartigen Sex zu bie-
    ten. Vielleicht war es kein Zufall, dass ausgerechnet die
    wilde, jungenhafte Doris Shanahan ihm erlaubt hatte, an
    ihren Beinen hinauf in ihre Shorts zu gucken. Mit ihnen
    ist Sex sozusagen frontaler, direkter. Sie springen darauf
    an und gehen auf einen Orgasmus los, so wie ein Falke
    sich auf eine junge Wachtel stürzt. Obwohl Vanessa selten
    dabei lächelte (anders als Faye in ihrem Rausch, anders
    als Alissa mit ihren Grübchen),

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