Landleben
bei-
den Großväter sind neunzig geworden.»
«Sag Alissa, wir haben sie alle vermisst.» Schon Alissas
Namen zu sagen, die kusshaften S-Laute, versetzte Owen
einen leichten Stoß und weckte in seinem Kopf das Bild
eines unter der Haut gut gepolsterten Rückens, geteilt von
einer Wirbelsäule mit zarten Extremitäten. Er empfand ein
Gefühl der Kameradschaft, der Zusammengehörigkeit mit
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anderen Veteranen desselben Feldzugs, als er sich durch
die Menge bewegte, seine Mitmenschen in der Stadt seit
fünfzehn Jahren, das Gefühl, zu lieben und geliebt zu wer-
den, das ihm entgegenschlug, nicht nur von den Frauen,
die er kannte, sondern von den Kaufleuten aus dem Zen-
trum in ihren Polyesteranzügen, dem Juwelier und dem
Spirituosenhändler, dem trittsicheren Dachdecker, der hier,
an einem mit weißem Tuch bedeckten Tisch, eine Dop-
pelrolle als Barmann spielte, und der stämmigen, jetzt im
Ruhestand lebenden Krankenschwester, die ihm vor acht
Jahren, als sein Blinddarm entfernt worden war, mitten in
der Nacht Barmherzigkeit erwiesen und eine weitere Do-
sis Demerol verabreicht hatte. Mit den Krankenpflegern
und dem Empfangspersonal kamen ein paar braune und
olivfarbene Gesichter in die festliche Menge. Er konnte
Phyllis nicht finden, obwohl ihr heller Kopf gewöhnlich
ein paar Zentimeter über den meisten anderen schwebte.
Er hatte sie geliebt, anfangs, weil sie groß war, groß und
weiblich und jung. Ihre seltsame augenscheinliche Abwe-
senheit versetzte ihm einen Stich – Vorahnung von Schuld;
er fühlte sich seines Glücks unwürdig, fühlte sich davon
verwirrt. Diese schuldbeladene Glückseligkeit – war sie
das Leben?
Die Schatten wurden länger. Die Luft wurde kalt. Va-
nessa, die als Mitvorsitzende über ein defektes, quakendes
tragbares Soundsystem eine wirkungsvolle Rede gehalten
und nach allen Seiten hin gedankt hatte, kam auf ihn zu.
Sie trug einen entengrünen Hosenanzug aus changierender
Seide und hatte einen gut aussehenden Mann mit steifem
Kragen an ihrer Seite. «Owen, Lieber, ich weiß gar nicht, ob
du Reverend Arthur Larson schon kennen gelernt hast. Er
ist noch neu hier an der episkopalischen Epiphanias-Ge-
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meinde, aber er hat uns mit den besonderen Sponsoren in
seiner Gemeinde großartig unterstützt. Er hat uns gehol-
fen, an sie heranzukommen.»
Der Geistliche schüttelte Owen die Hand. Der Hän-
dedruck, so ahnte Owen, würde jeweils kunstvoll variiert,
nach Geschlecht und Größe des Begrüßten, nach seiner
oder ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Stadt und
nach dem Gewicht der vermuteten Freundschaft mit der
einflussreichen Vanessa. Owen empfing einen warmen,
aber nicht glühenden Händedruck. Reverend Larsons gu-
tes Aussehen schien gleichmäßig aufgesprüht, eine wasser-
beständige Schicht, von dem Satinglanz seiner schmalen
schwarzen Schuhe bis zu dem ledrigen Leuchten seines
vom Wind polierten Gesichts, das von im Freien verbrach-
ten Wochentagen zeugte. Das Hemd unter seinem Kragen
war nicht von dem üblichen Rußschwarz, sondern von ei-
nem weltmännischen Taubengrau; das dichte Haar auf sei-
nem Kopf, störrisch und eng verflochten, erinnerte Owen
an einen mittelgroßen Hund mit wuscheligem Rücken und
welligem Schwanz. Larson war noch in seinen Dreißigern,
und in seinem Auftreten fest, aber bescheiden. Dies war
ein M
ann, dessen
e
W g unbeschadet im Einklang
mit den
Wegen des Herrn verlief.
«Owen», sagte er, den Namen wiederholend, mit dem
Vanessa ihn vorgestellt hatte, als wollte er ihn auf einer
Erinnerungsliste in seinem Kopf festhalten. Seine Augen
funkelten freundlich, eingefasst von beginnenden Knitter-
fältchen. Owen mochte ihn; er mochte die meisten Geist-
lichen, weil sie das Undenkbare fern halten, während wir
durchs Leben tänzeln.
Larson trat einen halben Schritt zur Seite, sodass eine
Frau zum Vorschein kam, die bei ihm war und sich taktvoll
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hinter ihm gehalten hatte, auf der anderen Seite von Vanes-
sa. Sie war kompakt und seidig, wie Elsie, mit einem Hauch
von Doppelkinn, aber sie strahlte auch die undurchdringli-
che, ein wenig humorlose Vitalität aus, die Owen zuletzt an
Ginger Bitting bewundert hatte. Ihr Handschlag verblüffte
ihn, diese feinen weiblichen Finger, wie sie kühl in seine
Handfläche glitten. Ihre Augen waren von dem scharfen
Aquamarin der getönten Weingläser in Willow und der
kleinen gläsernen Konfektschälchen mit Muschelrand,
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