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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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glaube, sie war mal Hebamme.“
    „Aber du weißt nicht, was sie dort will?“
    „Nein.“
    „Würdest du es für uns herausfinden?“
    Marius hörte auf, sich zu putzen und blinzelte Salandar an. „Ist das eine Bitte?“
    Salandar blinzelte zurück und verdrehte hilfesuchend die Augen. „Ja, verflucht noch mal. Willst du mitschreiben? Ach nein, ich vergaß, das liegt außerhalb deines anatomischen Vermögens. Also: Lieber Marius, würdest du mir bitte den Gefallen tun – solange es denn keine Umstände macht – und dich ein wenig bei den beiden Damen umhören?“
    „Pah“, machte Marius abfällig.
    „Tu’s einfach!“, drängte ich ihn.
    Marius hielt eine Sekunde lang meinem flehentlichen Blick stand, dann besann er sich offenbar auf das Sprichwort vom Klügeren, der nachgibt. Er drehte sich um und stolzierte die Straße entlang in Richtung von Frau Hausers Hütte.
    Ein paar Sekunden blickte ich ihm nach, dann wandte ich mich Salandar zu.
    „Was war deine Frage an das Kartenspiel?“, wollte ich wissen.
    Doch Salandar seufzte bloß.
    „Wahrscheinlich dieselbe wie die deinige, teurer Freund.“
    5.
    Die Welt wurde ein Rätsel – und das leider immer mehr.
    Es war spät. Wir hatten Anna von Eulenbachs Selbstbewusstsein wieder auf Vordermann gebracht, indem wir sie gebeten hatten, uns doch mit ihrer musikalischen Virtuosität zu beglücken. Die junge, hochintelligente Frau hatte ihrer Violine zusehends misstrauischer gegenüber gestanden, und Hagen hielt es für Verschwendung, wenn sie keinen Gebrauch von ihrem Talent machte. Graf Thaddäus war derselben Meinung gewesen, und so hatten wir uns zusammen mit der Dienerschaft ein kleines Privatkonzert der außergewöhnlichen, aber seit dem Vorfall im Hause Ehlert leicht verstörten Musikerin geben lassen. Zerstreuung war uns immer recht. Graf Thaddäus hatte sich wieder beruhigt und schien uns etwas freundlicher gesonnen. Ich saß mit ihm zusammen in der zweiten Reihe und war letztlich froh, dass der große, irgendwie vom Leben gezeichnete Mann uns nicht die Pistole auf die Brust setzte und zu einem bestimmten Termin Ergebnisse sehen wollte.
    „Waren Sie im Krieg?“, erkundigte er sich, und ich versuchte, mir eine Gesamtheit meiner Zeit im Regiment in Erinnerung zu rufen und die Gefühle nicht bloß auf mein unrühmliches Ende zu beschränken. Es war eine merkwürdige Zeit gewesen. Als Kadett war man noch den stupiden, teils pubertär wirkenden Witzeleien der Kameraden zugetan, aber bald schon hatte ich mich von dem dumpfen Soldatenalltag entfernt. Sowohl im Geiste als auch, was meinen Rang anging. Meine in gewissem Umfang vorhandene Bildung ermöglichte mir diesen schnellen Karrierevorstoß. Damit hatte man mich schließlich auch geködert. Unter den Offizieren herrschte zwar eine gewisse raue Freundlichkeit, aber man war dem Sumpf der brutalen, maskulinen Stumpfsinnigkeit dennoch nicht entflohen. Alkohol, Hurereien und andere Ausschweifungen waren abseits von taktischen und strategischen Besprechungen leider immer noch Thema genug zwischen uns Männern.
    Ich bejahte die Frage des Grafen.
    „Wo waren Sie stationiert?“
    „Erst in Lausanne, dann entlang der Grenzen. Aber ich muss Sie wohl nicht darüber in Kenntnis setzen, dass es für uns kein sonderlich erfolgreicher Krieg war?“
    Der Graf lächelte wissend.
    „Nein“, gestand er. „Ich war vom Dienst befreit, da meine Eltern schon nicht mehr lebten und ich mich der Verwaltung der Eulenbach’schen Ländereien widmen musste. Sind Sie viel herumgekommen?“
    „Ich bin in ein preußisches Regiment gewechselt, ehe ich meine derzeitige Tätigkeit aufgenommen habe, die mich in der Tat schon etwas herumgebracht hat.“
    „Preußen? Waren Sie in Unpässlichkeiten?“
    „Nein, übermotiviert. Aber es hat mich dort nicht gehalten.“
    „So?“
    „Ich wurde angeschossen“, log ich und dachte daran, dass ich bei Nachfrage meine Narbe auf der Brust präsentieren konnte. Eine hässliche, große Schürfwunde, die mir als Kind ein Sturz von einem Birnbaum beschert hatte.
    Draußen heulte der Sturm und ließ mich bei dem Gedanken an jene verregnete Nacht in Belgien erschauern.
    „Dafür halten Sie sich ganz gut“, bekomplimentierte der Graf. Keine Frage, er hatte die Lüge durchschaut.
    „Ich hatte einen Doktor, der in puncto Akkuratesse dem Klischee entsprach, das man meinem eigenen Volk gerne zuschreibt.“
    Dann setzte Anna zu einem neuen Stück an, und wir vertagten das Gespräch.
    Später

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