Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
ist?
Wir müssen nicht, aber die Anstrengung bleibt uns nicht erspart. Selbsterkenntnis fliegt uns nicht zu. Eltern bombardieren uns mit Erwartungen, Geschwister drängen uns in Rollen, Lehrer und Mentoren wollen sich über uns ausleben, die Medien überschwemmen uns mit Geschichten von vermeintlich attraktiven Lebens- und Verhaltensweisen.
Wer bin ich, was will ich, was tut mir gut? In der Kindheit stellt sich die Frage noch kaum, in der Pubertät hämmert sie wie lauter Techno in uns, und dann verschwimmt sie bei vielen Zeitgenossen im Einerlei des Berufslebens. Fremderwartungen und scheinbar bewährte Muster umlagern uns und erdrücken die Suche nach dem Selbst wie Efeu die Linde. Und plötzlich findet man sich in einem Leben, das man nie wollte.
Das können wir nicht wollen. Was also dagegen tun? Erster Schritt: der eigenen Stimme wieder Gehör verschaffen, erst einmal in sich selbst. Das Flüstern der Unzufriedenheit und das Raunen der Enttäuschung ernst nehmen. Mit Richard David Precht fragen: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Ausprobieren, testen, experimentieren. Schritt für Schritt herausfinden, was ich wirklich will und wie das gestaltet sein soll. Und das natürlich in Einklang bringen mit den Notwendigkeiten des Lebens und den Ansprüchen der Liebsten, und das geht einfacher, als man denkt.
Bea Westphal in Berlin, von Hauptberuf Hofbäckerin, hat nach langen Jahren der Erfahrung mit solcher Selbstfindung ein Hilfsmittel dafür geschaffen: die Traumbox. Sie stellt Fragen wie: Worüber redest du am liebsten mit Freunden, wenn du niemanden beeindrucken und nichts erledigen musst? Mit welchen Gegenständen umgibst du dich am liebsten? Was soll mal auf deinem Grabstein stehen?
Ehrliche Antworten sind gefragt. Man muss den Eltern nicht gefallen und keiner Tante schmeicheln. Und dann, wenn alles gut läuft, fügen sich die Antworten zu Mustern und ergänzen sich – und plötzlich fällt einem zum Beispiel wie Schuppen von den Augen, was der Traumjob wäre.
Das Ganze erfordert gerade einmal drei Stunden. Keine Zauberei, keine Tricks. Es ist so einfach und so schwer zugleich. Die Umwelt – oft durchaus wohlmeinend – drängt uns in so viele Richtungen. Aber selbst aus der Sicht des Drängenden stellt sich die Frage: Will man jemanden, der sich allem fügt, nur weil es bequem ist, oder will man Kinder oder Freunde oder Partner, die wissen, wer sie sind, was sie wollen und wo die Grenzen ihrer Anpassung liegen?
Hör in dich hinein – da spielt die spannendste Musik.
Wer das tut, tanzt am schönsten. Ist im Reinen mit sich. Schiller sagt: »Nur der ist König, der bei seinem Tun nach keines Menschen Beifall braucht zu fragen.«
Das Paradoxe: Solche Menschen können meistens auch anderen mehr geben. Sie sind nicht egoistisch. Sie wissen, was
ihr Glück ist, und leben es. Und können so andere, die selbst auf der Suche sind, viel einfacher akzeptieren und unterstützen. Wer selbst weiß, wo er hingehört, lässt dem anderen seinen Raum. Krittelt nicht ständig herum. Verbiegt andere nicht, sondern lässt sie so sein, wie sie sind.
Ja, erfreut sich sogar an den Unterschieden. Wie traurig wäre es, sähen wir alle gleich aus. Oder wären alle gleich. Und wenn man sich ehrlich und selbstkritisch prüft, in welche Richtung man Partner oder Kinder gern ändern würde, was kommt meistens heraus? Sie sollen mehr wie man selber sein. Will man das wirklich? Ist nicht eine/-r genug?
Heben wir das Thema kurz auf die Länderebene: Viele Globetrotter beklagen zu Recht, dass die Innenstädte der Metropolen auf der ganzen Welt immer ähnlicher werden. Die gleichen Fast-Food-Restaurants, die gleichen Luxuslabels, die gleichen Autos. Was für ein Verlust!
Die Vielfalt des Glücks der Welt sollten wir nicht gefährden, indem wir ständig so sein wollen wie die anderen. Deutschland ist da auf einem guten Weg. Immer haben wir die Italiener wegen ihrer Sinnlichkeit und Spontaneität bewundert, immer die Brasilianer wegen ihrer Ausgelassenheit und Erotik. Versuchen wir auch so zu sein, kommt schlechter Samba am Timmendorfer Strand heraus. Schätzen und bewundern wir lieber die anderen ihrer Stärken wegen und freuen uns an unseren! Gemütlichkeit oder Verlässlichkeit zum Beispiel. Die Welt beneidet uns darum.
Der zweite Schritt also: Sich so akzeptieren, wie man ist. Zufriedenheit erlangen mit seinen Eigenheiten. Auch mit den Schwächen. Niemand sonst, nirgends sonst und mit niemandem sonst sein wollen. Nicht die
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