Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
geben.
Aus
Langenscheidts Leben
Lang ersehnter Traumurlaub mit der Liebsten und den drei Töchtern in einem Haus in der sogenannten Dritten Welt. Alles stimmt – bis auf die leise stärker werdenden Rückenschmerzen meiner Frau. Dann plötzlich bückt sie sich am Liegestuhl, und der Schmerz drückt sie nieder. Keine Bewegung ist mehr möglich ohne Schreie. Die Ambulanz ist immerhin nach einer Stunde da. Wir fahren durch Zuckerrohrfelder – und meine Fantasie, von langen Reisen durch das nahe gelegene Indien gespeist, fängt auf beängstigende Weise an zu fliegen. Überfüllte Krankenhausgänge, Leprapatienten, amputierte Gliedmaßen, sich selbst verbrennende Fundamentalisten, schwimmende Leichenteile im Ganges. Alles, was ich an schlimmen Eindrücken zum Umgang mit Krankheit, Schmerz und Tod in indisch geprägten Ländern im Kopf habe, kommt plötzlich hoch. Wir haben doch keine Ahnung, wie das Krankenhaus aussehen wird.
Nach einer Stunde Fahrt mit Blaulicht die erste Überraschung, die meine Klischees vollkommen ins Wanken bringt: Wir treffen auf ein privat geführtes Krankenhaus, sauber bis in den letzten Winkel, mit freundlichsten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, perfekt und effizient gemanagt.
Ich bin baff und genieße fast, wie meine Vorurteile in sich zusammenfallen. Innerhalb von eineinhalb Stunden sind Röntgen und MRI gemacht – mit neuester Technologie. Nur einmal, auf der Suche nach einem Spezialisten, drücke ich im Aufzug aus Versehen auf den Kellerknopf und lande dort, wo die Leichen hinkommen. Die schrecklichen Erinnerungen steigen wieder hoch, sind aber schnell weg, als ich wieder das Parterre erreiche.
Um neun Uhr abends stellen wir fest, dass der einzige Orthopäde noch eine Notfalloperation hineinbekommen hat, und müssen ein Zimmer nehmen. Nächste Überraschung: Wir bekommen sogar ausnahmsweise und gegen alle Vorschriften noch ein Chicken Curry als Abendessen. Menschlichkeit besiegt Bürokratie. Das Zimmer ist besser als viele Hotelzimmer, in denen Menschen ihren gesamten Urlaub verbringen. Wir können es nicht glauben und sind glücklich im kleinen Unglück, das sich ohnehin schnell relativiert angesichts all der Katastrophen, derer man um uns herum Herr zu werden versucht.
Mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall in der Notaufnahme eines vermeintlichen Dritte-Welt-Krankenhauses fühlen wir uns ein wenig wie Bonnie and Clyde. Der Blickwinkel hat sich vollkommen gedreht, und fast genießen wir die etwas absurde Situation, während wir hoffen, dass in unserem Haus nichts mit den Töchtern passiert.
Die Diagnose kommt um Mitternacht: Zwei Bandscheiben sind ein wenig verschoben und sehr gereizt, aber es ist kein Vorfall. Riesenerleichterung – und die Macht der veränderten Perspektive ist so groß, dass meine Frau sogar lächelnd anmerkt, sie hätte in den nächsten Wochen ohnehin eine Operation vor sich, bei der man wochenlang den Rücken radikal schonen müsse. Wie praktisch! Aus der Horrorvorstellung ist etwas Romantisches und Einzigartiges geworden, das uns ein Stück weiter zusammenschweißt und gemeinsam stärker werden lässt.
Die Rückkehr lässt uns das eigene Haus natürlich noch dreimal schöner erscheinen als ohnehin. Und die Erfahrung, wie schnell eine minimale Verschiebung im Gleichgewicht des Körpers zu schrecklichen Schmerzen führen kann, lässt die Freude am funktionierenden Körper um ein Vielfaches steigen – wohl einer der Gründe, warum so viele Menschen gerne Krankenhausserien im Fernsehen sehen. Wir brauchen manchmal das Negative, um zurechtgerückt zu werden in unserer Wahrnehmung des uns geschenkten Lebens. Das Schicksal muss uns kurz und heftig an den Ohren ziehen, damit die Augen wieder geöffnet werden für dessen Schönheit. Und hinter jeder Angst wartet ein Stück Hoffnung, eine Überraschung, ein Glücksgefühl, das ohne sie nicht in unser Leben hätte treten können.
Wenn Sie mal wieder am Leben verzweifeln, denken Sie an
… JANA ZÖLL
Die junge Frau hat seit Geburt Glasknochen, jene schreckliche Behinderung, bei der schon ein festes Schulterklopfen die Knochen bricht. Sie bezeichnet sich mit Galgenhumor als »nicht laufender Nichtmeter«, ist sie doch nur etwa neunzig Zentimeter groß und nutzt den Rollstuhl häufig. Was ist trotzdem ihr dringendster Berufswunsch? Schauspielerin. Und sie schafft es an die Akademie und bekommt ihre erste Rolle als Amme in Shakespeares Romeo und Julia . Und was ist ihr größtes Glück? Wenn für die Zuschauer nach
Weitere Kostenlose Bücher