Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
positiven und negativen Aspekte. Glücklich wird, wer sich eine zurechtzimmert, die ihm oder ihr gerecht wird, und lebenslang an dieser arbeitet, ohne sich groß darum zu scheren, ob eine andere vermeintlich besser oder schlechter ist.
Sei Du selbst! Beobachte das, was die anderen machen, um davon zu lernen und vielleicht auch die Vielfalt des Menschseins zu genießen. Aber lass Dich nicht konstant verunsichern in dem, was Du selbst machst und bist. Du bist Du, und die anderen sind die anderen.
Diese Einstellung zu verinnerlichen ist eine der großen Herausforderungen des Lebens. Man hat es nie geschafft.
Eltern können ihren Kindern den Weg zur inneren Freiheit und Selbstständigkeit erschweren oder erleichtern. Sie können ständig darauf hinweisen, was andere tun und können, oder sich eher darauf konzentrieren, die Stärken ihrer Kinder zu betonen und ihnen bei jeder noch so kleinen Gelegenheit zu zeigen, dass sie selbst ihre Entscheidung zu treffen haben. »Sag Nein, wenn Du etwas nicht willst, folge lieber der eigenen Stimme als dem Gruppendruck« – Ermutigungen wie diese helfen später zusätzlich gegen Drogen und Missbrauch.
Der Marathonlauf durchs Leben ähnelt dabei dem wirklichen durch Berlin oder New York. Manche vergleichen ihre Leistung ständig mit der des Gewinners – eine Anleitung zum Unglücklichsein. Viele hingegen sind einfach stolz, es zu schaffen – und werden selbst mit einer Zeit von über vier Stunden glücklich. Seien wir wie diese und freuen uns darüber hinaus an der irrsinnigen Vielfalt des Lebens, wenn Dicke und Dünne, Trippelnde und Ausschreitende, Lockere und Disziplinierte über die Straße des Daseins laufen.
Und was setzen wir an die Stelle des Neids? Eine Grundhaltung, die ihm in vielfacher Hinsicht überlegen ist und zutiefst beglückt: die Dankbarkeit.
Auch Dankbarkeit lernen wir natürlich als Kinder. Erst mal als Konvention: »Und was ist das Zauberwort?« – »Bitte!« – »Und wie sagt man?« – »Danke!« Aber sie ist unendlich viel mehr als das. Das Wort »Danke« gibt es in ähnlich vielen Sprachen der Welt wie den Ausdruck »Ich liebe Dich«. Dank ist überlebenswichtig. Tiere mögen ohne ihn auskommen, wir Menschen nicht.
Ist Neid einer der großen Glückskiller, ist Dank ein Königsweg zum Glück. Würden Nobelpreise auch posthum verliehen, müsste der für Frieden an den- oder diejenige gehen, dem oder der wir das Danken verdanken.
Zwischen uns Menschen ist Dank ganz einfach die Würdigung von etwas, das selbstverständlich erscheint, es aber nicht ist. Wir brauchen zum Leben die Hilfe, die Pflege, den freundlichen Klaps, die Kritik, das Schulterklopfen, das Anlächeln, die Ermutigung, den Rat. Und das würdigt der Dank, indem er kurz eine Bühne baut und den Akt der Zuwendung schön beleuchtet daraufstellt und ihm applaudiert.
Danke für Deine Liebe, Deine Freundschaft, Deine Aufmerksamkeit!
Aber Dankbarkeit als Gegenpol zum Neid geht noch viel weiter. Sie ist eine Grundhaltung zum Leben und durchdringt alles ähnlich positiv wie der Neid negativ. Wenn wir nur wollen, können wir für alles dankbar sein und es dadurch in ganz anderem Licht sehen. Für die Blume auf dem Schreibtisch, für den Wind um die Nase. Für das frisch gebackene Brot oder dafür, dass wir uns nach einem anstrengenden Tag ins weiche Bett fallen lassen können. Für unsere Eltern, Partner und Kinder. Für Freundschaft und Liebe. Fürs Morgenlicht und Abendbier. Für unsere Gesundheit und die unserer Lieben. Für die Fähigkeit zu denken, zu reden und zu schreiben. Und dafür, dass wir überhaupt sind.
Denn nichts ist selbstverständlich. Alles ist ein Geschenk. Lesen Sie nur die zwölf Geschichten zu »Wenn Sie mal wieder am Leben verzweifeln …« und spüren Sie, wie gut Sie dran sind. Überlegen Sie doch angesichts der kleinen Sorge über eine schlechte Schulnote Ihres Kindes, was alles an viel Schlimmerem passieren könnte.
Fernsehserien wie Grey’s Anatomy oder Dr. House sind wahrscheinlich aus genau diesem Grund weltweit so erfolgreich. Sie schenken Dankbarkeit dafür, dass wir all das Furchtbare, das es im Krankenhaus gibt, zu Hause bei uns nicht haben. Kleine Gebrechen erscheinen plötzlich lächerlich angesichts des großen Schreckens. Das ist das schiere Gegenteil von Neid auf vermeintlich Positives, das wir nicht haben …
Sie sehen: Grund zu danken gibt es genug. Lächeln Sie stumm vor Dank. Er vergoldet Ihr Leben – wie die Liebe.
Aus
Langenscheidts
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