Langoliers
spielt eine Rolle.« Und dann wiederholte er beharrlich: »Sie haben meine Geschichte gestohlen.«
Er streckte die Hand aus, und nun sah Rainey zum ersten Mal, dass er etwas darin hielt. Es war ein Stapel Papier. Aber nicht nur irgendein Stapel Papier; es war ein Manuskript. Wenn man schon eine Weile im Geschäft ist, dachte er, erkennt man ein Manuskript immer am Aussehen. Besonders ein unverkauftes.
Und verspätet dachte er: Ein Glück für dich, dass es keine Waffe war, Mort, alter Junge. Du wärst in der Hölle gewesen, noch ehe du richtig gemerkt hättest, dass du tot bist.
Und noch später ging ihm auf, dass er es wahrscheinlich mit einem vom Volk der Irren zu tun hatte. Das war selbstverständlich längst überfällig; zwar waren seine letzten vier Bücher Bestseller gewesen, aber dies war der erste Besuch von einem Angehörigen dieses legendären Stammes. Er empfand eine Mischung aus Angst und Geschmeicheltsein, und seine Gedanken verengten sich auf einen einzigen Punkt: Wie er den Burschen schnellstmöglich und mit so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich loswerden konnte.
»Ich lese keine Manuskripte …«, begann er.
»Das hier haben Sie schon gelesen«, sagte der Mann mit dem sieht eines hart arbeitenden Pächters gelassen. »Sie haben es gestohlen.« Er sprach, als würde er eine schlichte Tatsache aussprechen, wie ein Mann, der bemerkt, dass die Sonne scheint und es ein angenehmer Herbsttag ist.
Es schien, als wäre heute Nachmittag sein gesamtes Denken verspätet; Mort dachte zum ersten Mal daran, wie allein er hier draußen war. Er war Ende letzter Woche in das Haus in Tashmore Glen gezogen, an dem Tag, als seine und Amys Scheidung rechtskräftig wurde. Es war ein großes Haus, aber es war ein Sommerhaus, und Tashmore Glen war eine Sommersiedlung. An dieser speziellen Straße, die entlang der Nordbucht des Tashmore Lake verlief, standen etwa zwanzig Landhäuser, und im Juli oder August würden in den meisten oder allen Menschen wohnen … aber es war nicht Juli oder August. Es war Ende Oktober. Das Geräusch eines Pistolenschusses, überlegte er, würde wahrscheinlich ungehört verhallen. Und wenn er gehört wurde, würden die Leute, die ihn hörten, wahrscheinlich vermuten, dass jemand eine Wachtel oder einen Fasan schoss – es war Jagdzeit.
»Ich kann Ihnen versichern …«
»Das weiß ich«, sagte der Mann mit dem schwarzen Hut mit derselben Engelsgeduld. »Das weiß ich. «
Hinter ihm konnte Mort das Auto sehen, mit dem der Mann gekommen war. Es war ein alter Kombi, der aussah, als hätte er schon viele Meilen zurückgelegt, die wenigsten davon auf guten Straßen. Er sah, dass das Nummernschild keins des Staates Maine war, konnte aber nicht erkennen, aus welchem Bundesstaat es stammte; er wusste schon seit einer Weile, dass er zum, Optiker gehen und sich stärkere Brillengläser einsetzen lassen sollte. Anfang des vergangenen Sommers hatte er sich diese kleine Aufgabe sogar vorgenommen, aber dann hatte ihn Henry Young eines Tages angerufen und gefragt, wer der Mann sei, mit dem er Amy im Einkaufszentrum gesehen hatte – möglicherweise ein Verwandter? –, und da hatte die Scheiße angefangen, deren Ende die unheimlich ruhige Keiner-ist-schuld-Scheidung gewesen war, die Scheiße, die in den vergangenen Monaten seine ganze Energie verschlungen hatte. Während dieser Zeit war es schon eine Leistung gewesen, wenn er daran gedacht hatte, seine Unterwäsche zu wechseln, an so esoterische Angelegenheiten, wie zum Optiker zu gehen, konnte er nicht einmal denken.
»Wenn Sie sich mit jemand über ein Unrecht unterhalten wollen, das Ihnen möglicherweise widerfahren ist«, begann Mort unsicher und verabscheute den pompösen, herablassenden Klang seiner Stimme, »könnten Sie mit meinem Ag …«
»Das geht nur Sie und mich etwas an«, sagte der Mann auf der Schwelle geduldig. Bump, Morts Kater, hatte auf dem abgeschlossenen Kasten an der Hauswand gelegen – man musste den Müll in abgeschlossenen Behältnissen lagern, sonst kamen nachts Waschbären und verstreuten alles kreuz und quer in der Gegend –, sprang jetzt herunter und ging geschmeidig zwischen den Beinen des Fremden durch. Der Blick der blauen Augen des Fremden wich nicht von Raineys Gesicht. »Wir brauchen keine Außenstehenden, Mr. Rainey. Dies ist ausschließlich eine Sache zwischen Ihnen und mir.«
»Ich lasse mich nicht gerne eines Plagiats bezichtigen, wenn das Ihre Absicht ist«, sagte Mort. Gleichzeitig ermahnte ihn ein Teil
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