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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schneidend.
    Nick sah sie einen Moment an, und sie senkte den Blick sofort. Sie musste Nick Hopewells Augen immer wieder mit denen auf den Bildern vergleichen, die Darren Crosby ihr geschickt hatte. Weit auseinander stehende, klare Augen in einem gut aussehenden – wenn auch durchschnittlichen – Gesicht. Aber die Augen waren eigentlich auch durchschnittlich gewesen, oder nicht? Und waren Darrens Augen nicht eigentlich zum Großteil dafür verantwortlich, dass sie diese Reise überhaupt unternommen hatte? War sie nicht nach eingehendem Studium zur Überzeugung gekommen, dass es die Augen eines Mannes waren, der sich benehmen würde? Eines Mannes, der aufhören würde, wenn man ihm sagte, dass er aufhören sollte?
    Sie war an Bord von Flug Nr. 29 gegangen und hatte sich gesagt, das dies ein großes Abenteuer war, ihr einziger extravaganter Tango mit dem Abenteuer – eine impulsive Reise quer über den Kontinent in die Arme eines großgewachsenen, dunklen Fremden. Aber manchmal geriet man in eine dieser ermüdenden Situationen, in denen man sich die Wahrheit nicht mehr verheimlichen konnte, und Laurel schätzte die Wahrheit folgendermaßen ein: Sie hatte sich für Darren Crosby entschieden, weil seine Bilder und Briefe ihr gesagt hatten, dass er sich kaum von den gewöhnlichen Jungs und Männern unterschied, mit denen sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr oder so ausgegangen war, Jungs und Männer, die rasch lernten, sich die Füße auf der Matte abzutreten, wenn sie an einem regnerischen Abend nach Hause kamen, Jungs und Männer, die ein Handtuch nahmen und unaufgefordert beim Geschirrspülen halfen, Jungs und Männer, die einen in Ruhe ließen, wenn man es ihnen mit ausreichend schneidender Stimme sagte.
    Wäre sie heute Nacht an Bord von Flug Nr. 29 gewesen, wenn auf den Bildern Nick Hopewells dunkelblaue Augen anstelle von Darrens hellbraunen zu sehen gewesen wären? Sie glaubte es nicht. Sie glaubte, sie hätte ihm einen freundlichen, aber reichlich unpersönlichen Brief geschrieben – Danke für Ihre Antwort und Ihr Bild, Mr. Hopewell, aber irgendwie glaube ich nicht, dass wir zusammenpassen würden – und weiter nach einem Mann wie Darren gesucht. Und sie hatte starke Zweifel daran, dass Männer wie Mr. Hopewell das Magazin für einsame Herzen überhaupt lasen, geschweige denn Kontaktanzeigen aufgaben. Dennoch war sie jetzt hier bei ihm, in dieser unheimlichen Situation.
    Nun … sie hatte ein Abenteuer gewollt, nur ein Abenteuer, bevor sie endgültig in die mittleren Jahre kam. Stimmte das nicht? Doch. Und nun war sie hier und hatte den lebenden Beweis angetreten, dass Tolkien recht hatte – sie war gestern Abend wie immer aus ihrer Tür getreten, und wohin hatte es sie gebracht? In eine seltsame und schreckliche Version des Feenlandes. Aber es war durchaus ein Abenteuer. Notlandungen … verlassene Flughäfen … ein Wahnsinniger mit einer Waffe. Selbstverständlich war es ein Abenteuer. Etwas, das sie vor Jahren gelesen hatte, fiel Laurel plötzlich wieder ein: Sei vorsichtig, worum du betest, vielleicht bekommst du es ja.
    Wie wahr.
    Und wie verwirrend.
    In Nick Hopewells Augen lag keine Verwirrung … aber auch keine Gnade. Sie brachten Laurel zum Zittern, und dieses Gefühl hatte nichts Romantisches an sich.
    Bist du sicher? flüsterte eine Stimme, aber Laurel brachte sie unverzüglich zum Schweigen.
    Nick zog Craigs Hände unter ihm hervor und überkreuzte sie auf dessen Rücken. Craig stöhnte erneut, diesmal lauter, und wehrte sich schwach.
    »Sachte, mein guter alter Freund«, sagte Nick beruhigend. Er schlang das Tischtuch zweimal um Craigs Handgelenke und knotete es fest. Craig ruderte mit den Ellbogen und stieß einen seltsam schwachen Schrei aus. »So!« sagte Nick und stand auf. »Sauber zusammengebunden wie Pater Johns Weihnachtstruthahn. Und wir haben noch eines in Reserve, falls es aussieht, als würde das hier nicht halten.« Er setzte sich auf eine Tischkante und sah Bob Jenkins an. »Was hatten Sie gesagt, als wir so unhöflich unterbrochen wurden?«
    Bob sah ihn benommen und ungläubig an. »Was?«
    »Nur zu«, sagte Nick. Er hätte ein interessierter Zuhörer bei einem Vortrag sein können und nicht ein Mann, der auf einem Tisch in einem verlassenen Flughafenrestaurant vor einem Mann saß, welcher in einer Lache seines eigenen Blutes lag. »Sie waren gerade bei dem Teil, wonach Flug Nr. 29 wie die Mary Celeste ist. Interessantes Konzept.«
    »Und ich soll … einfach fortfahren?«

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