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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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in Arles geboren wurde. Ihre Kindheit und Jugend verliefen unspektakulär, das Aufregendste war eigentlich noch das Zusammentreffen mit Vincent van Gogh, der im Fabrikladen ihres Onkels ein paar Bleistifte kaufen wollte.
    Jeanne sollte ihre Geburtsstadt niemals verlassen, sie blieb in Arles bis zu ihrem Tod – und war auch dort ausgesprochen ortstreu. »Sie hatte lediglich drei unterschiedliche Adressen«, berichtet Jean-Marie Robine vom französischen Max-Planck-Institut für Demographie. »Vom Geburtshaus auf der Duroure-Straße ging es nach der Hochzeit zur Gambetta-Straße und von dort schließlich ins Pflegeheim La Maison du Lac.« Für 122 Lebensjahre sind das ziemlich wenige Stationen.
    Jeanne gehörte zu einer typischen Familie der französischen
Bourgeoisie, in der das Leben seine geregelten Bahnen lief: unauffällig, konservativ und ohne Experimente. Deswegen wurde die Tochter auch im Alter von 21 Jahren mit einem Cousin verheiratet, der den größten Einkaufsladen der Stadt führte. Er verdiente genug, sodass er seiner Frau ein Leben in Wohlstand – mit Tennis, Schwimmen, Klavierspiel und Opernbesuchen – bieten konnte. Sie musste nur hin und wieder mal im Laden aushelfen. Das Ehepaar hatte nur ein einziges Kind: eine Tochter namens Yvonne. Diese starb im Alter von 36 Jahren an einer Lungenentzündung. Jeanne versorgte daraufhin deren Sohn, der allerdings bei einem Autounfall ebenfalls im Alter von 36 Jahren ums Leben kam. In Jeannes Umgebung gab es also durchaus auch den frühen Tod.
    Genetisch war sie allerdings mit einer gewissen Langlebigkeit ausgestattet: Ihr Vater starb mit 93, ihre Mutter mit 86 Jahren, und ihr Bruder brachte es sogar auf 97 Jahre. Auch ihr Ehemann wurde mit 73 Jahren für damalige Verhältnisse recht alt, und er hätte sogar noch älter werden können, denn der Tod ereilte ihn nach dem Verzehr einer Portion verdorbener Kirschen.
    Nach dem Ableben des Mannes holte Jeanne zunächst ihren Bruder zu sich, der sich jedoch schon bald – immerhin schon über 80 Jahre alt – ins Altersheim verabschiedete. Seine jüngere Schwester hingegen war fit genug, um noch weiter auf eigenen Füßen zu stehen. Allerdings gingen ihr als 90-Jährige langsam die Geldreserven aus, die ihr der Gatte hinterlassen hatte. Also verkaufte sie ihr Appartement auf der Gambettastraße an den Rechtsanwalt André-François Raffray, der ihr dafür neben dem lebenslangen Wohnrecht eine stattliche Rente von monatlich 2500 Franc zugestand. Für den Juristen schien das ein Handel mit kalkulierbarem Risiko zu sein – denn wie lang sollte eine 90-Jährige wohl noch Rente kassieren können?
    Es kam jedoch anders. Raffray starb mit 77 Jahren an Krebs, ohne jemals das Ende seiner Verpflichtungen erleben
zu dürfen, und nach seinem Tod musste seine Witwe die Rentenzahlungen fortsetzen. Als Jeanne Calment mit 110 Jahren endlich ins Altersheim ging, hatte sie fast den dreifachen Wert der Immobilie kassiert. Was wieder einmal zeigt, dass Langlebigkeit nicht nur ein Segen, sondern auch ein ziemlich teures Projekt werden kann – in diesem Fall allerdings für andere.
    Es ist schon sehr viel darüber spekuliert worden, wie Jeanne Calment so unglaublich alt werden konnte. Dabei wurde natürlich auch ihr Erbgut thematisiert. Und in der Tat: Schaut man sich die Fotos der Frau aus den unterschiedlichen Lebenszyklen an, fällt auf, dass sie zwischen dem 20. und 60. Lebenjahr kaum alterte und ihre Gesichtszüge fast unangetastet glatt blieben, als hätten ihre Zellen von innen, also von den Genen, einen Befehl zum Alterungsstopp erhalten. In späteren Jahren änderte sich das jedoch. Da gruben sich tiefe Furchen durch Jeannes Antlitz, als hätte sie nicht in der Behaglichkeit der französischen Bourgeoisie, sondern in der Höhensonne Tibets gelebt.
    Außerdem liefern die genetischen Familienvorgaben nur eine begrenzte Erklärung für Jeannes extrem spätes Sterbealter. Denn auch wenn Mutter, Vater und Bruder recht alt wurden – keiner von ihnen wurde älter als 100 Jahre, während ihre Tochter bzw. Schwester diese magische Grenze um immerhin 22 Jahre überschritt, was bei den meisten mehr als ein Viertel ihres Lebens ausmacht. Man sollte also auch auf Jeannes Lebensstil schauen. Doch selbst der war nicht gerade vorbildlich. »Sie tat nie irgendetwas, das besonders günstig für ihre Gesundheit gewesen wäre«, berichtet Altersforscher Robine. Jeanne war weder eine begeisterte Sportlerin noch achtete sie auf Ernährung und

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