Lanze und Rose
verzerrten und einen Blutfaden entließen. Der Sohn des Macgregor zog sein Messer aus der Kehle des Unglücklichen, der auf dem Deck zu seinen Füßen zusammensackte. Der Mann mit dem Enterhaken schlich unterdessen zur Luke, die offen geblieben war, und duckte sich mit dem Dolch in der Hand hinter die Persenning. Kurz darauf erschien der Mann, den Willie als Beacham angesprochen hatte, und schwenkte stolz eine Flasche.
»Hey, Willie! Schau, was ich gefunden habe! Der alte Neish hat uns eine gute Flasche …«
Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als er James entdeckte, der sich über die Leiche seines glücklosen Gefährten beugte. Willie lag inzwischen in einer Blutlache.
»Was für eine Flasche, mein Freund?«, fragte James gelassen und wischte seine Klinge an Willies Hemd ab.
Lässig schlenderte er auf Beacham zu. Letzterem quollen fast die Augen aus den Höhlen, denn der Mann mit dem Enterhaken hatte ihm seinen Dolch direkt auf den Adamsapfel gesetzt, der ohne Unterlass auf und ab hüpfte. James riss ihm die Flasche aus den Händen und betrachtete sie genauer.
»So so, wir stehlen also den Schnaps des guten alten Edgar Neish, was?«
»Ich habe sie nicht gestohlen …«
»Hattest du vielleicht die Absicht, sie ihm zurückzuerstatten? Zum Bespiel, indem du in die Flasche pinkelst?«
Mit den Zähnen riss James den Korken aus der Flasche und spuckte ihn wenig ehrerbietig vor die Füße von Beacham, der
vor Angst verstummt war. Er spülte sich die Kehle mit einem ordentlichen Schluck und reichte die Flasche dann an Duncan weiter, der es ihm nachtat.
»Aber das ist ja französischer Cognac!«, rief der junge Mann aus, nachdem er sich mit dem Handrücken den Mund abgewischt hatte. »Der Kapitän wird sicher nicht sehr glücklich darüber sein, dass seine Männer seinen Branntwein stibitzen!«
Beachams kleine, blitzende Äuglein blickten panisch hin und her.
»Was soll ich mit ihm machen?«, fragte der Mann mit dem Enterhaken.
»Das übernehme ich, Marcus.«
»Dreckige Banditen!«, stöhnte Beacham mit erstickter Stimme.
»Elendes Schmugglerpack«, zischte James und schlug ihm mit dem Pistolenknauf kräftig über die Schläfe.
Augenblicklich brach der Mann zusammen und fiel vor den Füßen von Marcus, der seinen Griff gelöst hatte, auf die Planken. Nun mussten sie noch zwei Wachposten unschädlich machen. Derjenige, der im Mastkorb saß, schien keine unmittelbare Bedrohung darzustellen. Der andere musste sich irgendwo unter ihren Füßen aufhalten.
»Marcus, Colin, ihr klettert hinunter und durchsucht die unteren Decks. Der vierte kann ja nicht weit sein.«
Die beiden Männer gehorchten sofort und verschwanden im Rumpf des Schiffes. Eine angespannte Stille, in der nur das Knirschen der Taue zu vernehmen war, senkte sich über James und Duncan. Der junge Macgregor sah zu dem Mastkorb hoch oben am Fockmast auf.
»Was sollen wir mit dem dort anfangen?«, erkundigte sich Duncan, der seinem Blick gefolgt war.
»Im Augenblick nichts. Wenn er uns allerdings überrascht, während wir hinunterklettern, ist es um uns geschehen. Wir würden viel zu leichte Ziele abgeben.«
Kurz darauf erschien Marcus in der Lukenöffnung.
»Niemand da, James.«
»Verflucht, vor Einbruch der Dunkelheit waren vier Männer an Bord! Wir haben uns dreimal vergewissert.«
»Er hätte das Schiff kurz danach verlassen können«, bemerkte Duncan und spähte in die undurchdringliche Dunkelheit.
»Nun gut, nehmen wir aus dem Frachtraum mit, so viel wir tragen können, und beeilt euch!«, befahl James.
Er löste eine Schnur, die er um die Hüften gebunden trug, und fesselte Beacham gründlich. Duncan folgte Marcus durch die Luke, um ihm zu helfen, die Ware auf das Oberdeck zu hieven. Ein ekelhafter Gestank nach Fäulnis und saurem Wein schlug ihm entgegen, als er in den Lagerraum trat. Rasch sah er sich um und stellte eine schnelle Bestandsaufnahme der Beute an, die sich vor ihnen ausbreitete. An der vor Feuchtigkeit tropfenden Bordwand standen mehrere Kisten, in die das Siegel der Krone eingebrannt war. Musketen, vermutete Duncan. Rob Roy hatte sich nicht geirrt. Pulverfässer standen neben Fässchen mit französischem Cognac und Wein. Andere Kisten, die diverse hochgeschätzte Waren wie Gewürze und Tee enthielten, waren hier und da sorgfältig aufgestapelt. Sie hatten die Auswahl. Sogleich machten sich die drei Männer ans Werk und beförderten die Ware mit Hilfe des Flaschenzugs nach oben, wo James wartete.
Sie hatten
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