Lass Es Gut Sein
zuhörend, verstehend, besänftigend
zur Seite.
VII.
Jeder hüte sich davor, sich in seiner Angst einzurichten oder sich ohne jede Willensanstrengung auf eine Mutlosigkeit herauszureden, die einfach nur Feigheit ist. Mut braucht Mut. Wer nichts wagt, wer sich nicht wagt, gewinnt nichts. Wer sich etwas traut, ermuntert das Zutrauen bei anderen.
Der Angst nicht das Feld überlassen! Aktivität kann als ein Bollwerk fungieren, als eine existenziell und eine sozial |232| unabdingbare Art und Weise, der Angst durch das Kämpfen gegen die Ursachen der Ängste, der Furcht oder der Befürchtungen – zusammen mit anderen – entgegenzuwirken. Dazu ist freilich Staat, Gesetzgebung, Gewaltenteilung auf eine den heutigen Herausforderungen angepasste Weise unabdingbar, will man nicht allmählich auch alle öffentlichen Güter privatisieren und »im Namen der Freiheit« den Überlebenskampf weltweit zu einem allgemeinen, die sozialen und ökologischen Standards missachtenden Handlungsprinzip machen – so dass alsbald global das Recht des je Stärkeren dominiert. Solche Freiheit macht zu Recht Angst.
Politik, wo sie menschlich ist, ist ein praktisches Handeln gegen alltägliche, insbesondere soziale Ängste. Sie kann das Selbstvertrauen, die Bildung, die Leistungsbereitschaft, das Urteilsvermögen und das Verantwortungsbewusstsein der BürgerInnen stärken helfen. Sie kann und soll den Ursachen für Ängste auf den Grund gehen und sie durch ihr Tun und Lassen verringern; aber ihre Möglichkeiten sollten nicht überschätzt werden – die existenzielle Angst kann sie nicht beseitigen. Wer illusionäre Erwartungen an »den Staat« richtet, muss enttäuscht werden.
Der Staat soll, kann, darf nie wieder »Gott spielen« wollen. Er wird dann stets zum Götzen, zum Ungeheuer oder zum allgegenwärtigen »Großen Bruder« im Orwell’schen Wahrheits- und Liebesministerium.
Und keiner rede sich auf seine Angst heraus; keiner leugne, wie stark sie ist. Um Angst zu bestehen, brauche ich dich und wir brauchen uns.
Vergesset nicht
Freunde
wir reisen gemeinsam
Das schrieb eine dem Grauen der Nazizeit Entkommene: Rose Ausländer.
Sie gab in vielen Variationen der Hoffnung sprachlich so einfach wie berührend Ausdruck.
|233| Hoffnung II
Wer hofft
ist jung
Wer könnte atmen
ohne Hoffnung
daß auch in Zukunft
Rosen sich öffnen
Ein Liebeswort
die Angst überlebt
Nimm dich wichtig
Wenn du dich nicht
zu
wichtig nimmst, geht dir vieles leichter von der Hand und du hörst auf, unerquicklich an dir selbst zu leiden. Du gewinnst Distanz, du lernst, dir über die Schulter zu schauen und auch über dich selbst zu lachen.
Der Ärger wird geringer, und deine Fähigkeit zur Selbstkritik wird größer, ohne dass sie dich im Innersten beschädigt.
Und dann nimm dich wieder wichtig. Bleib nicht gleichgültig und wisse, dass du nicht gleichgültig bist. Begegne dir selbst nicht gleichgültig. (Es gibt doch Menschen um dich herum, denen es ganz und gar nicht gleichgültig ist, was aus dir wird.)
Wir sind alle einmalig. Es geht darum, dieser Einmaligkeit täglich unverwechselbar Gestalt zu geben. Du bist nicht »der Herr Großkotz«. Du kannst dich ruhig, sehr ruhig, vergleichen mit den anderen, die auf ihre Weise einmalig, gar großartig sind. Aber »der Herr Klein« in dir ist ängstlich mit sich selbst zerworfen.
Also bleib auf der Suche nach dem, was für dich gültig ist.
Und versuche zu verstehen und zu akzeptieren, was dem anderen, auch dem dir ganz Fremden gültig erscheint. Dazu aber brauchst du eine alte, so befreiende wie schwierige Tugend: sich |234| selbst zu eigen zu sein, über sich und seine Leidenschaften zu verfügen, aber nicht ohne Leidenschaft zu sein. Das nannten die Stoiker vor 2000 Jahren ataraxia: Freiwerden vom Verwirrenden und Verworrenen, von Unruhe und Streit, Furcht und Schrecken, von Lärm und Getriebe.
So gewinnt man letztlich Klarheit. So wächst in der Stille in einem ein Stillewerden, das nicht Ausdruck von Langeweile, sondern von Innenraumpflege ist. Auch wegen der Seele gilt es, auf eine lebensfreundliche Innenraumausstattung zu achten. Du willst doch kein sich selbst langweilender Mensch oder Langweiler für andere sein.
Wir arbeiten an so vielem und machen uns viel – vergebliche – Mühe, stiften Unruhe noch und noch. Darüber versäumen wir die Arbeit an uns selbst, das Ausreifen unseres unverwechselbaren Selbst.
Wir leiden individuell und kollektiv an einem Joch
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