Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
der Erregung über den Rücken jagte.
Alexandra zwang sich dazu, ihn anzusehen. Obwohl noch niemand versucht hatte, sie zu verführen oder zu küssen, wußte sie nach einem einzigen Blick in sein Gesicht, daß da irgend etwas drohte. »Was haben Sie vor?« wollte sie wissen.
Seine Finger glitten sehr sanft und sehr sinnlich über ihre Wange. Er lächelte sie an - mit einem trägen, hintergründigen Lächeln, das ihr das Herz in die Kehle jagte. »Ich habe vor, Sie zu küssen.«
Prompt ging Alexandras Phantasie mit ihr durch, und sie erinnerte sich an die Romane, die sie gelesen hatte. Wurden die Heldinnen von dem Mann geküßt, den sie insgeheim liebten, fielen sie ausnahmslos in Ohnmacht, gaben ihre Tugend auf oder sprudelten Geständnisse über unsterbliche Liebe hervor. In ihrer Angst, sich gleichfalls zu einer solchen Närrin zu machen, schüttelte Alexandra energisch den Kopf. »Nein«, krächzte sie heiser. »Ich... ich glaube, das sollten Sie nicht tun. Jedenfalls nicht jetzt. Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, mir dieses Angebot zu machen, aber jetzt sollten Sie es nicht tun. Vielleicht ein anderes Mal, wenn ich...«
Ungeachtet ihrer Proteste hob Jordan ihr Kinn. Er schloß die Augen, während Alexandra ihre ganz weit öffnete. Er neigte den Kopf. Sie wappnete sich gegen die mit Sicherheit in ihr aufbrandende Leidenschaft. Er berührte ihren Mund ganz leicht mit seinen Lippen. Und dann war es vorüber.
Jordan öffnete die Augen und beobachtete ihre Reaktion. Da war nichts von der unschuldigen Hingerissenheit, die er erwartet hatte. Alexandras Augen waren ganz groß vor Verwirrung und — ja! — Enttäuschung.
Tief befriedigt darüber, daß sie sich nicht zum Narren gemacht hatte wie die Heldinnen in den Romanen, rümpfte Alexandra die schmale Nase. »Und das ist alles?« fragte sie den Edelmann, dessen feurige Küsse angeblich junge Mädchen zur Aufgabe ihrer Jungfräulichkeit und verheiratete Frauen zum Vergessen ihrer Eheschwüre gebracht hatten.
Einen Augenblick lang verharrte Jordan reglos. Er musterte sie mit trägen, abschätzenden grauen Augen. Plötzlich sah Alex etwas Aufregendes und höchst Beunruhigendes in diesen Augen aufblitzen. »Nein«, murmelte er, »da ist noch mehr.« Seine Hände umfaßten ihre Arme und zogen sie so eng an sich heran, daß ihre Brüste fast seinen Oberkörper berührten.
Ausgerechnet diesen unpassenden Moment wählte sein Gewissen, das Jordan seit langem für tot gehalten hatte, für ein höchst ärgerliches Lebenszeichen. Du verführst ein Kind, Hawthorne! flüsterte es ihm verächtlich zu. Jordan zögerte — mehr aus Überraschung über die unerwartete Regung der längstvergessenen inneren Stimme, als aus tatsächlichen Schuldgefühlen. Du verführst voller Absicht ein argloses Kind, weil du dir nicht die Mühe machen willst es mit Argumenten zu überzeugen, raunte die Stimme weiter.
»Worüber denken Sie jetzt nach?« erkundigte sich Alexandra wachsam.
Ausreden schossen ihm durch den Kopf, doch da er sich daran erinnerte, daß sie vor kurzem erst höflichen Platitüden eine Abfuhr erteilt hatte, entschied er sich für die Wahrheit. »Ich habe gerade darüber nachgedacht, daß ich mich des unverzeihlichen Vergehens schuldig mache, ein Kind zu verführen.«
Alexandra, die mehr Erleichterung denn Enttäuschung darüber empfand, daß der Kuß sie nicht sonderlich beeindruckt hatte, spürte, daß Lachen in ihr hochstieg. »Mich verführen?« wiederholte sie lachend und schüttelte höchst anziehend die dunklen Locken. »O nein, in dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen. Ich glaube, ich bin aus härterem Holz als die meisten anderen Frauen, die bei einem Kuß ohnmächtig werden und ihre Tugend vergessen. Ich«, fuhr sie unverblümt fort, »war von unserem Kuß nicht sonderlich beeindruckt. Damit will ich aber nicht sagen«, schloß sie großmütig, »daß ich ihn scheußlich fand. Das war er nämlich nicht. Ich fand ihn... ganz nett.«
»Vielen Dank«, erwiderte Jordan mit todernster Miene. »Sie sind sehr freundlich.« Er plazierte ihre Hand fest in seiner Armbeuge und führte sie die paar Schritte in die Laube hinein.
»Wohin gehen wir?« erkundigte sie sich beiläufig.
»Außer Sichtweite des Hauses«, erwiderte er sachlich und blieb unter den blütenbedeckten Zweigen eines Apfelbaumes stehen. »Züchtige Berührungen unter Verlobten sind im Rosengarten erlaubt, aber leidenschaftlichere Küsse bedürfen der Diskretion einer Laube.«
Alexandra lachte
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