Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
Vom Netzwerk:
Seiten spritzten. »…Und hat mit dem Helm des Scipio sich das Haupt geschmückt …« Wieder traf er einen, dessen Schädel aufplatzte wie eine reife Melone.
    »Idioten, nicht einmal bewaffnet seid ihr! Was glaubt ihr, wer ihr seid, hier so aufzutauchen? Ihr seid nicht unsterblich. Sagt denen, die euch geschickt haben, dass es ein bisschen mehr braucht, um Sasà Chiatti kaltzumachen.« Atemlos blieb er stehen, dann brach er in Lachen aus. »Aber vermutlich könnt ihr gar nichts mehr sagen, weil ihr alle geplatzt seid.« Er legte eine neue Granate ein und feuerte auf den Ape mit dem Eis. Es gab eine Explosion, die für einen Moment den italienischen Garten, das Buchsbaumlabyrinth, den Info-Pavillon und die Jagdzelte taghell erleuchtete. Dann löste sich das Vorderrad aus dem Feuerball, flog über die Tische mit dem Aperitif, die Springbrunnentrümmer und die Hortensienbeete hinweg und traf Chiatti an der Stirn.
    Der Immobilienhai mit seinen neunzig Kilo schwankte und schien beinah dem Aufprall zu trotzen, doch dann sackte er in sich zusammen wie ein Wolkenkratzer, bei dem man das Fundament gesprengt hat. Während sich die Welt um ihn herum zu drehen begann, betätigte er mit dem Zeigefinger den Abzug des Sturmgewehrs und schoss sich die Spitze seines blauen Samtpantoffels weg, auf dem seine Initialen in Gold eingestickt waren. Drinnen steckten noch vier Zehen und ein gutes Stück Fuß.
    Er stürzte zu Boden und schlug dabei mit dem Kopf auf die Kante eines Glastisches. Eine lange dreieckige Scherbe rammte sich ihm in den Nacken, durchbohrte den Schädel, die Dura Mater, die Arachnoidea, die Pia Mater und schnitt durch das weiche Hirngewebe wie eine scharfe Klinge durch Vanillepudding.
    »Au … au … was für ein Schmerz … Ihr habt mich getroffen«, konnte er gerade noch stammeln, bevor er die Reste der halb verdauten Rigatoni all’amatriciana und der Frikadellen mit Rosinen und Pinienkernen erbrach.
    Durch das verrutschte Nachtsichtgerät sah er sich an, was von seinem linken Bein übrig war. Aus dem Stumpf, einer Ansammlung von rohem Fleisch und Knochensplittern, lief wie aus einem weit aufgedrehten Wasserhahn ein dicker Strahl dunkelgrüner Flüssigkeit. Chiatti streckte eine Hand aus, zerrte eine Tischdecke von einem umgestürzten Tisch herunter und verband, so gut es eben ging, die Wunde. Dann langte er nach einer Averna-Flasche und goss ein Viertel davon in sich hinein.
    »Dreckskerle. Glaubt ihr etwa, ihr habt mir wehgetan? Irrtum. Vorwärts, überrascht mich, zeigt mir, wozu ihr fähig seid. Hier bin ich«, mit den Fingern winkte er sie zu sich heran. Dann ergriff er noch einmal das Sturmgewehr und schoss so lange um sich, bis nichts mehr da war, worauf er schießen konnte. Während er schweigend einen Moment innehielt, stellte er fest, dass sein Hals und seine Schultern mit Blut getränkt waren. Er fasste sich in den Nacken. Zwischen den Haaren ragte ein Stück Glas heraus. Mit Daumen und Zeigefinger griff er danach und versuchte, es herauszuziehen, aber die Fingerbeeren rutschten ab. Nach Luft schnappend, versuchte er es noch einmal, doch sobald er die Scherbe bewegte, durchzuckte ihn ein rosa Blitz und das linke Auge erblindete.
    Er beschloss, die Scherbe zu lassen, wo sie war, ließ sich an die Überreste einer Engelsskulptur aus Eis sinken und nutzte die wenigen verbliebenen Kräfte, um den Averna auszutrinken. Der bittersüße Geschmack mischte sich mit dem salzigen des Blutes. »Ihr habt mir nichts antun können … nicht das Geringste … Scheißverschwörer.« Vom Kopf des Engels und den halb geschmolzenen Flügeln fiel ein eisiger Regen, lief über den kahlen Schädel und die Infrarotmaske, rann an den dicken Backen hinunter und tropfte auf den Blähbauch, auf den Morgenmantel, und verwässerte die Blutpfütze, in der er lag.
    Der Tod war kalt. Die Kälte kroch sein Rückgrat entlang wie die frostigen Tentakel eines Eiskraken.
    Er dachte an seine Mutter. Wie gern hätte er ihr noch gesagt, dass ihr Jungchen sich gut geschlagen hatte, dass er sie liebte. Aber er hatte keine Luft mehr in den Lungen. Was für ein Glück, dass er sie im Bunker in Sicherheit gebracht hatte.
    Verdammt  …, sagt er grinsend zu sich selbst. Es war schön, so zu sterben. Wie ein Held. Wie ein griechischer Held in der Schlacht. Wie der große Agamemnon, der König der Griechen.
    Er fühlte sich schläfrig und erschöpft. Wie merkwürdig, der Fuß tat ihm gar nicht mehr weh. Und auch im Kopf hämmerte es nicht

Weitere Kostenlose Bücher