- Lasst die Toten ruhen
langweilen. Die Worte der jungen Dame und mehr noch der halbverächtliche Ton, in dem sie geäußert wurden, schienen einen schmerzhaften Eindruck bei dem jungen Mann zu hinterlassen: Er gab ihr zunächst keine Antwort, aber die Geistesabwesenheit, mit der er die freundlich gemeinten Bemerkungen der anderen jungen Dame bedachte, zeigte, wie betroffen er war.
»Es scheint, liebe Franziska«, sagte er schließlich in einem warmen Tonfall, »dass die Beschwerlichkeiten der Straße dich stärker beeinflussten, als du anerkennen magst. Üblicherweise so freundlich gegenüber anderen warst du während dieser Reise sehr häufig recht humorlos, besonders gegenüber deinem demütigen Diener und Cousin, der frohen Mutes das doppelte oder dreifache Maß an Unannehmlichkeiten trüge, wenn er dich dadurch nur vor der kleinsten von ihnen bewahren könnte.«
Franziskas Gesicht spiegelte ihr Vorhaben, mit bitterem Spott zu antworten, als die Stimme des Ritters nach seinem Neffen rief, der daraufhin davongaloppierte.
»Ich sollte dich tüchtig ausschimpfen, Franziska«, sagte ihre Gefährtin scharf, »weil du stets deinen Cousin Franz in dieser schändlichen Weise plagst; er, der dich so wahrhaftig liebt und der, was immer du sagst, eines Tages dein Gemahl sein wird.«
»Mein Gemahl!«, entgegnete die andere ärgerlich. »Ich muss entweder meine Vorstellungen vollständig verändern oder er sein Selbst, bevor das geschieht. Nein, Bertha! Ich weiß, es ist meines Vaters liebster Wunsch, und bestreite nicht, dass Cousin Franz gute Seiten haben mag oder tatsächlich hat, da du gerade ein solches Gesicht ziehst, aber einen derart verweichlichten Mann heiraten – niemals!«
»Verweichlicht! Du tust ihm großes Unrecht«, entgegnete ihre Freundin rasch. »Nur weil er nicht in den Türkenkrieg zog, wo wenig Ehre zu erstreiten ist, sondern deines Vaters Rat befolgend daheimblieb, um seine vernachlässigten Besitzungen zu ordnen, was Sorgfalt und Besonnenheit bedarf, und weil er diesen wütend heulenden Wind nicht als milden Zephir [94] bezeichnet – aus Gründen wie diesen nennst du ihn verweichlicht.«
»Sag, was du willst, es ist so«, rief Franziska stur. »Wagemutig, hochstrebend, sogar herrisch muss der Mann sein, der mein Herz will; diese sanften, geduldigen und bedächtigen Naturen sind mir ein Gräuel. Ist Franz zu wahren Gefühlen fähig, sei es Frohsinn oder Sorge? Er ist immer derselbe, immer ruhig, sanft und ermüdend.«
»Er ist warmherzig und nicht ohne Geist«, sagte Bertha.
»Warmherzig! Das mag wohl sein«, antwortete die andere, »aber ich will von meinem zukünftigen Gemahl eher tyrannisiert und kurz gehalten werden, als in dieser langweiligen Art geliebt zu werden. Du sagst, er habe außerdem Geist. Ich werde dir nicht direkt widersprechen, da es unhöflich wäre, aber dieser ist nicht leicht zu entdecken. Doch selbst wenn du in beiden Fällen recht hättest, der Mann, der seine Eigenschaften nicht zur Geltung bringt, ist eine jämmerliche Kreatur. Ein Mann mag viele närrische Dinge tun, er mag sogar dann und wann ein wenig verrucht sein, vorausgesetzt, es ist nichts Ehranrüchiges daran; und man kann ihm vergeben, wenn er nur nach etwas Besonderem strebt. Nehmen wir zum Beispiel deinen treuen Verehrer, den Kastellan von Glogau, Ritter von Woislaw; er liebt dich wahrhaft und ist jetzt in der Lage, dir ein angemessenes Auskommen zu bieten, sodass er dich heiraten kann. Der tapfere Mann hat seine rechte Hand verloren – Grund genug, um daheim hinter dem Ofen zu sitzen oder nahe am Spinnrad seiner Bertha; aber macht er das? Er zieht in den Krieg gegen die Türken. Er kämpft für ein hehres Ideal –«
»Und läuft Gefahr, auch noch die andere Hand abgeschlagen und eine weitere Narbe ins Gesicht geschlagen zu bekommen«, vollendete ihre Freundin den Satz.
»Lässt seine Geliebte ein wenig schluchzen und schmachten«, fuhr Franziska fort, »aber kehrt ruhmreich zurück, heiratet und wird um so mehr geehrt und verehrt! Und das von einem vierzigjährigen Mann, einem rauen Krieger, kein Höflingsgezücht, ein Soldat, der nichts weiter als seinen Mantel und sein Schwert besitzt. Und Franz – reich, edel –, aber ich will es dabei belassen. Kein Wort mehr über diese abscheuliche Angelegenheit, wenn du mich liebst, Bertha.«
Franziska lehnte sich zurück in die Ecke der Kutsche mit einer verdrossenen Mine und schloss ihre Augen als wenn sie, überwältigt durch die Anstrengung, wünschte zu
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