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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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hinunter, welche in eine leidlich belüftete Kammer führten. Dort waren Särge in allen Größen. Einige von ihnen zerfielen bereits zu Staub. Auch hier fand sich einer nahe an der Tür, der sich von den anderen deutlich unterschied. Er war schlichter gestaltet, jüngeren Alters und hatte eine kurze Inschrift: »Ezzelinus de Klatka, Eques.«
    Obwohl nicht der leiseste Hauch zu entdecken war, hielten sie sich einige Zeit in der Gruft auf. Als sie wieder in die Kirche hinaufstiegen, sprachen sie lange über die alten Herren, denn jetzt erinnerte sich der Ritter an ein Gespräch, das seine Eltern über jene geführt hatten. Bertha machte gerade einen Schritt in das Hauptschiff, als sie einen Laut der Furcht und Überraschung ausstieß. Ihr Blick fiel auf einen Mann, der einen Hut mit herabhängenden Federn, an seiner Seite ein Schwert und einen kurzen Umhang von altmodischem Schnitt um die Schultern trug. Der Fremde lehnte sorglos an einer zerbrochenen Säule am Eingang. Er schien die Gesellschaft nicht zu bemerken. Der Mond beschien sein fahles Gesicht.
    Die Gesellschaft schritt an den Fremden heran.
    »Wenn ich mich nicht irre«, begann der Ritter, »haben wir uns schon getroffen.«
    Nicht ein Wort vom Unbekannten.
    »Ihr befreitet uns auf nahezu wunderbare Weise«, sagte Franziska, »aus der Gewalt dieser schrecklichen Wölfe. Liege ich mit der Annahme falsch, dass wir für diesen großen Dienst in Eurer Schuld stehen?«
    »Die Tiere haben Angst vor mir«, antwortete der Fremde mit Grimm in der Stimme, wobei er den Blick aus seinen eingesunkenen Augen auf dem Mädchen ruhen ließ, ohne die anderen zu beachten.
    »Dann seid Ihr wohl ein Jägersmann«, sagte Franz, »und führt Krieg gegen die grausigen Bestien.«
    »Wer ist weder Jäger noch Gejagter? Alle jagen oder werden gejagt, und das Schicksal jagt uns alle«, entgegnete der Fremde, ohne ihn anzuschauen.
    »Lebt Ihr in diesen Ruinen?«, fragte der Ritter zögernd.
    »Ja, aber nicht um eueren Wildbestand zu vernichten, wie Ihr fürchten mögt, Ritter von Fahnenberg«, sagte der Unbekannte verächtlich. »Seid versichert, dass all Euer Besitz unberührt bleiben soll –«
    »Oh! So hat mein Vater das nicht gemeint«, unterbrach Franziska, die anscheinend großes Interesse am Fremden hatte. »Unglückliche Ereignisse und traurige Erfahrungen haben zweifellos dazu geführt, dass Ihr Unterschlupf in diesen Ruinen suchen musstet, aus welcher mein Vater Euch keinesfalls vertreiben wollte.«
    »Euer Vater ist sehr gut, wenn es das ist, was er meinte«, sagte der Fremde im früheren Tonfall, wobei es schien, als ob seine dunklen Gesichtszüge sich zu einem leichten Lächeln verzögen, »aber Leute meiner Art sind nur schwer zu vertreiben.«
    »Ihr müsst hier ein sehr ungemütliches Leben führen«, sagte Franziska, leicht gereizt, weil ihre höfliche Rede eine freundlichere Antwort verdient hätte.
    »Meine Unterkunft ist in der Tat nicht ungemütlich, nur etwas beengt, doch durchaus angemessen für ruhige Leute«, sagte der Unbekannte höhnisch. »Ich bin allerdings nicht immer ruhig; ich sehne mich bisweilen danach, den engen Raum zu verlassen, und dann stürme ich durch Wälder und Felder, über Hügel und Täler und die Zeit, da ich in meine kleine Unterkunft zurückkehren muss, kommt stets zu früh für mich.«
    »Da Ihr hin und wieder eure Unterkunft verlasst«, sagt der Ritter, »würde ich Euch gerne einladen, wenn ich wüsste –«
    »Dass ich imstande wäre, dem nachzukommen«, unterbrach der andere. Der Ritter zuckte leicht, da der Fremde seinen halbvollendeten Gedankengang genau traf. »Ich bedaure«, fuhr er kalt fort, »dass ich zu diesem Zeitpunkt nichts Genaueres sagen kann – einige Schwierigkeiten sind dem im Wege. Seien Sie jedoch versichert, dass ich ein Ritter bin und aus einer mindestens ebenso alten Familie wie Ihr selbst.«
    »Dann dürft Ihr unsere Bitte nicht abschlagen«, rief Franziska, die aufgrund des seltsamen Gebarens begierig war, mehr von dem Unbekannten zu erfahren. »Ihr müsst uns besuchen kommen.«
    »Ich bin kein guter Gesellschafter, und aus diesem Grund haben mich nur wenige in letzter Zeit eingeladen«, antwortete er mit seinem befremdlichen Lächeln. »Davon abgesehen bleibe ich gewöhnlicherweise den Tag über zu Hause; das ist meine Zeit, um zu ruhen. Ich gehöre, müsst Ihr wissen, zu jener Art von Mensch, der den Tag zur Nacht und die Nacht zum Tage macht, und der alles Ungewöhnliche und Befremdliche

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