Last days on Earth: Thriller (German Edition)
anrief: »He, Alter. Hast du mal ’ne Fluppe?«, kehrte er ruckartig in die Realität zurück.
»Oder Geld?« Das war eine Frauenstimme.
Raoul wandte sich um und sah sich drei abgerissenen Gestalten gegenüber. Die eine schien ein Vampir oder Dhampir zu sein (das war auf den ersten Blick nicht zu sehen, aber die relativ kräftige Hautfarbe ließ vermuten, dass ein menschlicher Elternteil im Spiel gewesen sein musste). Die zweite war ein überaus stark behaarter junger Mann mit kräftigem Raubtiergebiss, die dritte ein Mädchen, das bei näherem Hinsehen die kalten, lidschlaglosen Augen einer Schlange hatte. Also eine Nagi oder etwas in der Art.
Raoul seufzte und fasste seinen Stock fester. »Ich rauche nicht«, sagte er.
»Dann Geld«, wiederholte die Schlangenfrau. Sie streckte eine langfingrige Hand nach ihm aus und befühlte den Stoff seines Mantels. »Du hast Geld, das kann ich riechen.« Eine gespaltene Zunge schnellte aus ihrem Mund.
Raoul griff in seine Tasche. Für ähnliche Fälle führte er immer ein wenig Kleingeld lose mit sich.
Der Werwolf näherte sich und schnüffelte. »Magier«, sagte er mit heiserer Stimme. Er zog die Lippen zurück und knurrte.
»Immer mit der Ruhe, Waldi«, sagte Raoul. Er streckte die Hand aus und ließ die Münzen aufs Pflaster fallen. Sie klimperten und rollten davon, und die Blicke der Männer folgten ihnen unwillkürlich. Das wäre der Moment gewesen, in dem Raoul sich unauffällig davongemacht hätte, aber die Nagi starrte ihn nach wie vor an.
Sie lächelte. »Du bist geizig, reicher Mann.« Sie trat noch näher.
Raoul hob widerstrebend seinen Stock. Der Vogelschnabel deutete auf die Frau. »Bleib stehen«, sagte er leise. »Nehmt das Geld, geht eurer Wege. Ich will niemandem wehtun.«
»Nehmt ihn euch vor, Jungs«, rief die Nagi.
Der Wolfsmann verwandelte sich und sprang, während der Halbvampir noch eine Münze vom Pflaster klaubte.
Raoul flüsterte ein Wort der Macht, das grell aufleuchtete und zwischen ihm und dem Werwolf eine Wand aus Licht errichtete. Er hörte, wie der Wolf aufheulte und das Schlangenmädchen schrie. Der Dhampir sprang durch die Barriere und rannte auf Raoul zu. Der Mistkerl war magieresistent, wie die meisten seiner Art. Raoul hob ein zweites Mal seinen Stock, um den Angreifer damit niederzuschlagen, aber bevor er die Bewegung vollenden konnte, hörte er einen dumpfen Laut, wie eine zuschlagende Autotür.
12. 19. 19. 04. 00.
Er stand am Waschbecken und sah zu, wie rötlich gefärbtes Wasser gurgelnd in den Abfluss lief. Seine Hände brannten vor Kälte. Die Nagelbürste, die auf der Seifenschale lag, trug rote Spuren.
Wie war er nach Hause gekommen? Er steckte in seinem Bademantel. Die Kleider, die er am Abend getragen hatte, lagen in einem unordentlichen Haufen in der Ecke des Badezimmers. Das Hemd lag obenauf, und er konnte Blutspritzer darauf erkennen.
Raoul atmete tief ein und schüttelte benommen den Kopf. Dann hob er den Blick und sah in den Spiegel.
Hallo, Raoul.
Das vertraute Grinsen. Die spöttisch funkelnden Augen. Blut am Kinn. Jetzt fuhr die Zunge aus dem Mund und leckte es ab.
»Hallo, Brad. Wo bist du so lange gewesen?«
Hier und da. Achselzucken.
»Was ist geschehen? Ich erinnere mich an einen Dhampir …«
Erneutes Achselzucken. Unwichtig. Wir haben Arbeit. Trockne dich ab.
Raoul folgte der Anweisung, ohne weiter nachzudenken. Was geschehen war, war geschehen. Brad konnte auf sich – und ihn – aufpassen.
Er warf das nasse Handtuch auf die Kleider und ging ins Arbeitszimmer. Es war dunkel, die Morgendämmerung noch ein paar Stunden entfernt. Er setzte sich an den Schreibtisch, legte die Füße auf die Platte und lehnte den Kopf an die Rückenlehne des Sessels. Seine Hand griff zur Fernbedienung der Stereoanlage. Wenig später donnerte ein Wagnerorchester aus den Lautsprechern und ließ die Fensterscheiben klirren. Morgen würde er sich wieder die Beschwerden seiner Mieter anhören dürfen.
Können ja ausziehen, wenn ihnen das nicht passt. Brad lachte und drehte die Lautstärke noch ein wenig auf.
Raoul war zu müde zum Streiten. »An die Arbeit«, sagte er.
Ich habe deine neue Partnerin getroffen. Lecker.
»Hör auf damit. Sichte die Unterlagen der MID und die Informationen, die Tora mir heute Abend gegeben hat.«
Uh. Die böse alte Hexe. Brad lachte.
»Keine Hexe.« Raouls Augen schlossen sich. Er schlief ein.
Und erwachte in seinem Bett, mit brummendem Schädel und Lidern, die Tonnen
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