Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Kotflügel.
Raoul rief: »Um keinen Preis bekommen Sie mich in diese Zigarettenschachtel!«, und griff nach ihrem Ellbogen, damit sie stehen blieb. »Warten Sie hier.«
Er ging wieder ins Haus, und wenig später öffnete sich das Tor der Tiefgarage und der dunkelrote Jaguar fuhr heraus. Karla pfiff anerkennend, strich mit der Hand über den glänzenden Lack und stieg ein.
»Wohin?«, fragte Raoul und ließ den Wagen anrollen. Der Motor schnurrte wie die große Katze.
Karla blätterte in ihren Unterlagen und nannte die Adresse des Schlosses, das heute ein Museum war. Mit ein bisschen Glück würden sie dort noch jemanden antreffen, der sie einlassen konnte.
»Erzählen Sie mir von sich«, brach Raoul das Schweigen.
Karla wandte den Kopf und sah ihn an. Sein adlernasiges Profil wirkte so düster wie das Bild eines mittelalterlichen Geisterbeschwörers. Er sah seinem Großvater erstaunlich ähnlich.
»Was wollen Sie wissen?«, fragte sie zurück. So energiebesoffen war sie nicht, dass sie ihm hier ihre Lebensgeschichte zu erzählen gedachte. Aber seine Frage war berechtigt, denn immerhin waren sie jetzt für eine Weile Partner. Wenn es eng wurde, musste man wissen, worauf man sich verlassen konnte – und worauf nicht.
»Was sind Sie privat für ein Mensch? Was haben Sie für Vorlieben und Abneigungen? Was bringt Sie auf die Palme?« Er wandte kurz den Blick von der Straße, um sie anzusehen. »Abgesehen von Dunkelmagiern, meine ich.«
Karla lehnte den Kopf an die Nackenstütze und verengte die Augen zu Schlitzen. Das Licht der tief stehenden Sonne blendete sie.
»Sie haben recht, ich kann Dunkelmagier nicht ausstehen«, sagte sie. »Ihr seid so schrecklich selbstverliebt und egozentrisch.«
Raoul lachte. »Was uns von euch unglaublich bescheidenen und altruistischen Hexen natürlich grundlegend unterscheidet.«
»Aber natürlich. Wir lernen schon als Kinder, edel und selbstlos zu sein.« Karla grinste in sich hinein.
»Haben Sie nie daran gezweifelt, die richtige Wahl getroffen zu haben?«, fragte er.
Karla dachte darüber nach. Sie stammte aus einer konservativen Familie von Magiebegabten. Seit Generationen gehörten alle Mitglieder ihrer Familie dem Weißen Zweig an, und es hatte nie zur Debatte gestanden, ob Karla möglicherweise einen anderen Weg wählen würde. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Meine Grundüberzeugungen sind unerschütterlich weiß.« Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Seine Hände lagen locker auf dem Lenkrad, und er sah konzentriert auf die Straße. »Wie steht es um Ihre Grundüberzeugungen? Tiefschwarz, wie die unterste Hölle?«
Die Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Dunkel wie die Nacht«, bestätigte er. »Schwarz, heiß und süß wie ein guter Mokka.«
»Gut, dann hätten wir unsere Positionen ja abgesteckt.« Karla sah wieder zum Fenster hinaus.
Raoul fädelte sich in die linke Abbiegespur ein. Wenig später fuhren sie die breite Auffahrt des Museums von Schloss Riebenberg hinauf, und Raoul parkte den Wagen auf einem der für die Leitung des Hauses reservierten Plätze.
Karla stieg aus und reckte sich. Noch immer verliehen die Sheldrake-Effekte der Umgebung einen zauberhaften Schimmer. Die Luft schmeckte wie Champagner. Am liebsten hätte sie Raoul untergehakt und wäre mit ihm durch den großen Park spaziert, aber ihr Partner war schon auf dem Weg zum Nebeneingang.
»Warten Sie auf mich«, rief sie und lief hinter Raoul her.
12. 19. 19. 04. 00.
»Ich verstehe nicht, was Sie noch wollen.« Die Kuratorin des Museums spielte ärgerlich mit der Kette, an der ihre Lesebrille baumelte. »Ihre Kollegen sind hier tagelang durchgetrampelt und haben eine unglaubliche Unruhe und ein schreckliches Chaos verursacht. Warum also stehlen Sie mir jetzt auch noch am Wochenende meine Zeit?«
Karla hielt sich im Hintergrund und ließ Raoul schwitzen. Sie beobachtete ihren neuen Partner mit Luchsaugen. Wie ging er mit solch einer Situation um? Fokko hätte den diensteifrigen Plattfuß gespielt und seinen treuherzigen Augenaufschlag eingesetzt. Sein blonder Friesenschädel und die sommersprossige, jungenhafte Ausstrahlung hätten das Ihre dazu getan, die strenge Kuratorin zu erweichen.
Raoul Winter spielte das Spiel ein wenig anders. Karla beobachtete fasziniert, wie seine Schultern sich strafften, seine Haltung noch ein wenig aufrechter wurde. Seine legere Kleidung sah plötzlich dezent und beinahe ebenso elegant aus wie der Anzug, in dem er vor Karla aufgetreten
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