Last days on Earth
Auskunft
bekommen.«
Sie verlieÃen den Aufzug und durchquerten die Halle. Es verblüffte
Karla, wie gelassen Raoul dieses Thema behandelte. »Nein, die Auskunft war
unbefriedigend«, erwiderte sie. »Allerdings stammte sie nicht von meinem
Vorgesetzten, sondern von Ihrem.«
Jetzt hatte sie ihn doch erwischt. Er zuckte zusammen und verfehlte
das Schlüsselloch an seinem Wagen. »Mein ⦠was?« Sein Blick war kalt. »Mit
wem glauben Sie gesprochen zu haben?«
Karla hielt nicht minder kalt dagegen: »Mit GroÃinquisitor Loyal.«
Sie erwartete eine Reaktion wie gespieltes Erstaunen, Empörung,
Leugnen, Verblüffung. Stattdessen lächelte er und schloss das Auto auf. »Loyal,
ach so. Er hat keine Ahnung.«
Karla stieg ein und erinnerte sich. Er hatte behauptet, seine
Informationen direkt von Tora-san bekommen zu haben. Das war natürlich die
beste aller Tarnungen, wenn er sie wirklich belog. Niemand stellte der
GroÃmeisterin des Schwarzen Zweiges Fragen. Niemand.
»Sie machen es sich etwas zu leicht«, gab sie spitz zurück.
»Immerhin scheinen die Unterlagen der Zentralen Magischen Aufklärung auch keine
anderen Fakten aufzulisten als die der MID . Kein
Mord â keine Leiche.«
Raoul lieà den Jaguar anrollen und steuerte ihn vom Hof. Er sah
nachdenklich aus. »Jemand scheint groÃes Interesse daran zu haben, uns im
Dunkeln tappen zu lassen«, sagte er, als sie an der ersten Ampel hielten. »Ich
verstehe es auch nicht, Karla. Aber der Umstand, dass Tora ausgerechnet mich
für diese Aufgabe ausgesucht hat und nicht einen der festen ZMA -Mitarbeiter, scheint einen Grund zu haben.«
Karla entschied sich, den Frontalangriff zu wagen. »Ich glaube, dass
entweder Sie oder Ihr Daimon mich belügen.«
Die Ampel sprang auf Grün, der Wagen machte einen Satz nach vorne
und schoss die StraÃe hinunter. »So«, sagte Raoul. »Und warum sollte ich das
tun?«
»Sie sind Dunkelmagier, und Brad ist ein Daimon. Wahrscheinlich
findet ihr das zum Brüllen komisch.«
Er gab ein Geräusch von sich, das zwischen Grunzen und Knurren lag
und in einem Husten endete. Karla sah ihn verblüfft an. »Lachen Sie mich aus?«
»Ja«, sagte er erstickt. »Sie sind entzückend, wenn Sie sich
echauffieren. Ich könnte Sie küssen.«
»Unterstehen Sie sich!« Karla begann wider Willen zu grinsen.
»Brad?«
Er wandte ihr kurz den Kopf zu, und sie blickte in seine amüsiert
funkelnden Augen. Es war zweifellos Raoul, ganz und gar ohne Einmischung seines
Daimons.
»Warum finden Sie das so amüsant?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, irgendwer ist daran
interessiert, die Ermittlungsbehörde an der Nase herumzuführen. Tora-san hat
Wind davon bekommen und ihren Hund von der Leine gelassen â mich. Ich könnte
versuchen, sie zu den Hintergründen zu befragen, aber ich weiÃ, was sie
antworten würde.« Er schwieg kurz und suchte die Häuserzeile ab. »Dort drüben
ist die Bibliothek.«
»Was würde Tora-san
sagen?«
»Raoul, mein Junge, wenn du endlich einmal lernst, dein eigenes
Gehirn zu benutzen, sind wir einen groÃen Schritt weiter.« Er imitierte sehr
gekonnt eine raue, dunkle Frauenstimme.
Karla lachte. »Woher kennen Sie die GroÃmeisterin so gut?«
»Sie war meine Lehrerin.« Hinter der Toreinfahrt öffnete sich ein
groÃer, von Fensterfronten eingefasster Innenhof. Die Parkgelegenheiten lagen
auf der linken Seite. Raoul steuerte den Jaguar in eine freie Lücke, stellte
den Motor ab, öffnete seine Tür und setzte hinzu: »Und sie hat mich
groÃgezogen.«
Karla blieb verblüfft noch eine Sekunde länger im Wagen sitzen. Als
sie ausstieg, war Raoul schon auf dem Weg zu der Treppe, die zum Haupteingang
hinaufführte.
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12. 19. 19. 04. 01.
Während Raoul die Treppe hinaufging, dachte er über ihre
Worte nach. Es überraschte ihn ein wenig, dass er nicht überrascht war. Die
Unlogik dieses Gedankens amüsierte ihn. Er lächelte, als er die Glastür aufzog
und für Karla aufhielt.
Er spürte, wie Brad sich träge regte. Da will uns wohl jemand aufs
Kreuz legen.
Raoul schüttelte unwillkürlich den Kopf. Das ergab keinen Sinn. Er
ging auf den Empfangsschalter zu und beugte sich ein wenig vor, um der winzigen
Kobold-Frau, die dahinter saÃ, ins Gesicht zu sehen.
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