Laubmann 2 - Bärenzwinger
Frühstück mit den Teilnehmern unserer Tagung darüber ausgetauscht, ob die Tagung fortzusetzen sei. Wir waren, einschließlich unseres hochwürdigsten Herrn Erzbischofs, einhellig der Ansicht, daß wir bleiben sollten. Ich darf Ihnen also offiziell unseren Beschluß mitteilen, daß wir die Tagung – nicht zuletzt in Andenken an den Getöteten, den hochverehrten Professor Alfonso Forster – fortführen werden.
Allerdings in kleinerem Kreise und mit reduziertem Programm. Das heißt, die öffentliche Tagung wird abgesagt. Das, wenn auch zahlenmäßig nicht sehr starke, Publikum, das ab dem heutigen Montagvormittag zu uns stoßen wollte, wurde entweder schon per Telefon informiert oder wird direkt bei Erscheinen mit der Bitte um Verständnis darauf hingewiesen. Frau Merten kümmert sich dankenswerterweise darum. Bereits gezahlte Unkostenbeiträge gehen selbstredend retour.»
Gisela Merten nickte geschäftig.
«Wir sind der Überzeugung», fuhr der Prälat in seiner gehobenen Ausdrucksweise fort, derer er sich gern befleißigte, «daß wir nach einer solch unsäglichen Straftat der Einkehr bedürfen, zugleich jedoch unnötigen Trubel, gar ein Aufscheuchen der Medienöffentlichkeit vermeiden sollten. Nicht zuletzt mag das Tagungsthema ‹Wahrheit› in einer solch schlimmen und verzwickten Lage durchaus von prophetischer Kraft sein.»
Kommissar Glaser war völlig damit einverstanden, was Glöcklein und die Kirche vorhatten. Für ihn verschwammen Tagung, Glöcklein und Kirche in eins. «Das erleichtert unsere Ermittlungen sogar. Unter diesen Gegebenheiten stehen uns alle Zeugen in den kommenden Tagen zur Verfügung. Denn wir könnten niemanden zwingen hierzubleiben.»
«Dann hoffe ich, daß wir Ihnen bei der Aufdeckung der Wahrheit unsere Hilfe anbieten können.» Glöckleins Stimme klang gönnerhaft.
Glaser ging auf das Angebot nicht ein. «Auch unsererseits wurden Entscheidungen getroffen. Die Leitung der kriminalpolizeilichen Untersuchung wird mir obliegen. Ich werde hier allerdings nicht immer anwesend sein, sondern die Abstimmung der einzelnen Ermittlungsvorgänge von der Stadt aus regeln, wohingegen sich Kollege Lürmann auf der Burg einquartieren wird, damit wir vor Ort gezielter agieren können – Ihr Einverständnis zu Herrn Lürmanns Aufenthalt vorausgesetzt.»
Der Prälat signalisierte wohlwollend Zustimmung.
«Deshalb habe ich Sie dazugebeten, Frau Merten. Ist es Ihnen möglich, Herrn Lürmann ein größeres Gästezimmer zur Verfügung zu stellen, in dem wir nötigenfalls auch eine Zeugenbefragung durchführen könnten, und wo nicht jeder gleich erfährt, wer ein und aus geht?»
Gisela Merten überlegte: «Das Zimmer des Herrn Erzbischofs ist mittlerweile schon belegt» – Glöcklein verzog keine Miene –, «aber im ersten Stock, wo Dr. Laubmann wohnt, da hätte ich noch ein sehr geräumiges Referentenzimmer anzubieten.»
«Ich komme hervorragend mit Dr. Laubmann zurecht», verkündete Ernst Lürmann. «Er ist äußerst hilfsbereit, wenn er seine Interessen… ich meine, wenn er sich für etwas interessiert; will sagen, ebenso wenn er sich für nichts interessiert.» Lürmann beendete den Satz lieber, verhedderte er sich doch manchmal zu arg in seinen Gedankengängen.
«Ich lasse Ihr Gepäck aufs Zimmer bringen. Ihr Schlüssel liegt bei mir an der Rezeption bereit: Zimmer Nummer 15.» Gisela Merten erhob sich: «Falls Sie mich nicht mehr brauchen… ich glaube, einer der Tagungsgäste von außerhalb ist eingetroffen, den wir telefonisch nicht benachrichtigen konnten.»
Jeder der Herren meinte, einwilligen zu müssen.
«Ich möchte Sie bitten, Herr Prälat», Glaser verwendete nur ungern diese förmliche Anrede, «daß wir zumindest heute für die Erstbefragung aller Zeugen den Konferenzsaal zur Verfügung haben, sofern Sie mit der Tagung aus weichen können. Die Nähe zum Tatort dürfte sich als nützlich erweisen.»
«Keine Frage.»
«Frau Christine Fürbringer, meine Sekretärin, wird die Fragen und Antworten notieren. Als Gedächtnisstütze, der vielen Zeugen wegen. Ich weise darauf hin, daß es sich um kein Protokoll handeln wird, weil wir die Zeugen nur befragen und nicht vernehmen. Allerdings kann ich niemanden von dieser Befragung ausnehmen – auch Sie nicht.»
«Das versteht sich von selbst.»
«Außerdem habe ich zwei Mitarbeiter des Erkennungsdienstes hierher beordert, um von allen am gestrigen Abend anwesenden Personen Finger- und Handabdrücke zu erhalten, damit wir die am
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