Lauf des Lebens
Hand wies. Doch wie ein Bumerang kehrte sie immer wieder in ihren Kopf zurück. Blake brauchte Hilfe, und sie war die einzige Frau, die ihm helfen konnte. Falls sie ihn denn erregen konnte …
Ein Schauder durchlief sie von den Zehen bis zu den Haarspitzen. Aber sie erschauderte nicht, weil sie Angst hatte – es sei denn Angst vor der eigenen Courage. Konnte sie das wirklich tun? Und wenn ja: wie? Es würde ihm nicht weiterhelfen, wenn sie beim ersten Annäherungsversuch schreiend aus dem Zimmer rannte. Sie glaubte zwar nicht, dass sie bei Blake so reagieren würde, doch der bloße Gedanke an einen Flirt war ihr so fremd, dass sie eigentlich gar keine Prognose über ihre Reaktion abgeben konnte. Würde sie ihn genug reizen, um ihn davon zu überzeugen, dass er immer noch ein Mann war?
Nein, sie konnte die Situation unmöglich auf etwas Konkretes hinauslaufen lassen. Erstens war sie dafür noch nicht bereit, und zweitens war es absolut nicht mit ihrem Berufsethos zu vereinbaren. Abgesehen davon war sie gar nicht Blakes Typ – was wiederum das Risiko schmälerte, dass etwas Gravierendes passierte. Sie versuchte, zu beurteilen, ob er sie so unerfahren finden würde, dass er sich gar nicht erst zu ihr hingezogen fühlte, oder ob ihn seine zweijährige Abstinenz über ihre Unerfahrenheit hinwegsehen ließ. Lange jedenfalls würde er sich bestimmt nicht täuschen lassen: Sein verdrießliches Kreisen um seine Behinderung hatte er schon weitgehend abgelegt, und jeden Tag verwandelte er sich ein Stück mehr in sein altes Selbst zurück, wurde dem Mann auf dem Foto ähnlicher – einem Mann mit messerscharfem Verstand und absolut mitreißendem Temperament.
Würd e si e e s sic h trauen ? Konnt e si e e s schaf fen ?
Dione zitterte bei dem Gedanken daran, war aber gleichzeitig so aufgewühlt von dem, was Blake ihr heute Nacht gesagt hatte, dass sie die Idee nicht so radikal von sich wies, wie sie es sonst getan hätte. Zum ersten Mal in ihrem Leben beschloss sie, einen Mann zu verführen. Aber da sie sich schon vor so langer Zeit vom Sexualleben verabschiedet hatte, wusste sie nicht, ob sie das überhaupt konnte, ohne verkrampft und lächerlich zu wirken. Sie war dreißig und fühlte sich so unerfahren und linkisch wie ein Teenager. Ihre kurze Ehe mit Scott zählte nicht. Nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht hatte sie alles darangesetzt, ihm aus dem Weg zu gehen. Und Blake war ein reifer, anspruchsvoller Mann. Vor seinem Unfall hatte er garantiert jede Frau bekommen, die er haben wollte. Diones einziger Vorteil war, dass sie für ihn momentan die einzig verfügbare Frau war.
Nur: Sie wusste einfach nicht, wie man einen Mann erregte.
Dieses Problem, von dem sie nie gedacht hätte, dass es sie einmal beschäftigen würde, war der Grund dafür, dass sie am nächsten Morgen zögernd vor ihrem Spiegel stand. Die Uhrzeit, zu der sie Blake gewöhnlich weckte, war längst verstrichen, und sie hatte sich noch nicht einmal angezogen. Stirnrunzelnd und lippenkauend starrte sie auf ihr Spiegelbild. Normalerweise sprangen Männer auf ihr Aussehen an, das hatte sie zur Genüge erlebt. Aber war das Aussehen genug? Sie war nicht einmal blond – und Blake bevorzugte offenbar Blondinen. Ihre dicken schwarzen Haare fielen ihr in üppigen Wellen über die Schultern. Sie war im Begriff, sie zu einem Zopf zu flechten, als sie mitten in der Bewegung innehielt. Mit der Bürste in der Hand musterte sie gedankenverloren die Frau im Spiegel. Ihre Brüste waren voll und fest, gekrönt von zarten Brustwarzen. Und wenn Blake sie zu vollbusig fand? Zu athletisch und kräftig? Wenn er auf eine zierliche, ultrafeminine Figur stand?
Dione seufzte und drehte sich, um sich von hinten zu betrachten. Es gab so viele Wenns und Vielleichts. Vielleicht waren ihm die Beine besonders wichtig. Sie hatte schöne Beine! Lange, schlanke, leicht gebräunte Beine. Oder vielleicht … Ihr Hintern, lediglich von einem hauchzarten Stück rosa Seide bedeckt, war schön geschwungen und definitiv weiblich.
Die Kleidung war ein anderes Problem. Ihre Alltagsgarderobe bestand fast nur aus Sachen, in denen sie bequem arbeiten konnte: Jeans, Shorts, T-Shirts. Sie waren sportlich und praktisch, aber nicht eben verführerisch. Zwar hatte sie auch ein paar gute Stücke in ihrer Garderobe, aber die konnte sie nicht während der Arbeit anziehen. Außerdem waren auch diese Teile nicht wirklich sexy. Und ihre Nachthemden könnten direkt aus einem Frauenkloster stammen, auch wenn
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