Lauf des Lebens
geschlagen. Es war der schlimmste Fehler, der ihr je unterlaufen war, und sie machte sich heftige Vorwürfe.
Was auch immer geschehen war – sie durfte nicht vergessen, dass sie das Haus bald verlassen würde, dass sie nur ein vorübergehender Gast in Blakes Leben war. Sie wäre dumm, wenn sie ihre Karriere für ein so flüchtiges Glück aufs Spiel setzen würde. Ich hätte es ahnen müssen, dachte sie müde. Natürlich musste sich Blake von ihr angezogen fühlen, schließlich war sie die einzige Frau in seiner Nähe. Aber sie war so absorbiert gewesen von ihrem eigenen Elend und dem Zauber, den er auf sie ausübte, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass sich seine Bemühungen nicht bloß darauf beschränkten, sie zu necken.
Sanft schob sie ihn zur Seite. Er schlief so tief, dass er nichts davon mitbekam. Langsam und vorsichtig setzte sie sich auf, langte nach ihrem abgestreiften Nachthemd, zog es über und stieg aus dem Bett. Im Stehen merkte sie, dass ihr Körper an ungewohnten Stellen schmerzte. Sie zuckte kurz zusammen, zwang sich dann aber, leise zur Tür zur gehen und Blakes Zimmer zu verlassen. An der Türschwelle knipste sie das Licht aus.
In ihrem Zimmer fiel Diones Blick als Erstes auf ihr Bett, doch sie hatte das Gefühl, dass es Zeitverschwendung wäre, sich noch einmal hinzulegen. Sie würde ohnehin nicht schlafen können. Zu viele Empfindungen tummelten sich noch in ihrem Körper, zu viele Gedanken in ihrem Geist. Ihre Nachttischuhr zeigte kurz nach drei an. Ebenso gut konnte sie die Nacht jetzt beenden und einfach aufbleiben.
Sie fühlte sich seltsam leer. Ihre Vorwürfe und ihr Bedauern hatten die bittersüße Freude ausradiert, die sie in seiner Umarmung empfunden hatte. Jetzt kam sie sich wie ausgehöhlt vor. Einen kurzen Moment lang hatte sie sich in seinen Armen auf ungestüme Weise lebendig gefühlt, so, als ob sich all ihre Fesseln mit einem Schlag gelöst hätten. Doch mit der Realität hatte das nichts zu tun. Die Realität war, genau zu wissen, dass es Blake nur um die längst überfällige Befriedigung seines sexhungrigen Körpers gegangen war. Dione hatte es schon vor Wochen kommen sehen, aber nicht den Mut gehabt, dem Unvermeidlichen aus dem Weg zu gehen. Nein, sie hatte sogar die Wange noch hingehalten und den Schlag voll ins Gesicht bekommen.
Aber aus Fehlern konnte man lernen, Fehler waren besser als jede Ratgeberlektüre. Sie hatte es schon oft genug geschafft, sich selbst aus dem Dreck zu ziehen. Sie würde es auch diesmal schaffen. Der Trick bestand darin, sich immer wieder daran zu erinnern, dass jede schlechte Zeit ihr Ende hatte. Und das Ende ihrer Zeit mit Blake näherte sich mit Überschallgeschwindigkeit.
Innerlich erschauerte sie bei dem Gedanken. Aufgewühlt ging sie auf die Galerie hinaus. Die Wüstenluft war kalt, und der Wind ließ sie frösteln, als er ihr über die erhitzte Haut strich. Doch gleichzeitig genoss sie die Frische. Die Nacht war eine emotionale Berg- und Talfahrt gewesen, und am Ende dieser Fahrt war sie verwirrt und wie betäubt ausgestiegen. Die Fahrt hatte mit Angst begonnen, dann hatten Bereitwilligkeit, unaussprechliche Freude und Bedauern einander abgelöst, bevor schließlich eine erneute Bereitwilligkeit aufgeflackert war. Und jetzt, ganz am Ende, hatte sie wieder Angst. Angst, dass sie es nicht schaffen würde, die Scherben zusammenzusammeln. Angst, dass ihr Leben ohne Blake leer und nutzlos werden würde. Ja, sie hatte sogar Angst davor, dass er ihr die Angst – bislang ihre stärkste Verteidigungswaffe – für immer ausgetrieben hatte.
9. KAPITEL
Als plötzlich ein Lichtstrahl auf die dunkle Galerie fiel, beschleunigte sich Diones Puls. Erschöpft wandte sie den Kopf nach links zu Blakes Schiebetür, durch die das Licht drang. Was hatte ihn aufgeweckt? Als die Glastür geschlossen blieb, drehte sie sich wieder um und starrte in den nachtschwarzen Garten. Sie hoffte, dass Blake nicht herauskommen und nach ihr sehen würde. Sie hatte Angst, dass sie ihm noch nicht gegenübertreten konnte. Vielleicht am Morgen, wenn sie in ihrem vertrauten Therapeuten-Outfit – in Shorts und T-Shirt – steckte und sie beide in ihre Trainingsroutine eingebunden wären. Vielleicht würde sie sich dann so weit im Griff haben, dass man ihr die Ereignisse der Nacht nicht anmerkte. Jetzt fühlte sie sich noch blutend und wund und hatte das Gefühl, als lägen ihre Nerven blank. Müde lehnte sie ihren Kopf gegen das Geländer und merkte nicht einmal, wie sehr
Weitere Kostenlose Bücher