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Lauf des Lebens

Lauf des Lebens

Titel: Lauf des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LINDA HOWARD
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leises Raunen an ihrem Ohr. „Ich bin fast in Ohnmacht gefallen, als ich kurz dachte, du wärst noch Jungfrau.“
    Ihr Kopf war völlig leer. Krampfhaft versuchte sie, zu verstehen, was er meinte. Dann begriff sie schlagartig, und das Blut schoss in ihre kalten Wangen. „Ich bin nicht mehr Jungfrau“, versicherte sie ihm heiser. „Es ist nur … Ich hatte keinen … Es ist so lange her.“
    „Wie lange?“
    Mit wachsender Unruhe registrierte sie seine Entschlossenheit, die auch seine betont ruhige Stimme nicht zu kaschieren vermochte. Offenbar legte er es darauf an, ihr ihre Geheimnisse zu entreißen. Schon zweimal hatte er ihren Schutzwall eingerissen und sie gezwungen, sich an all die Schmerzen und Leiden zu erinnern, die sie so gerne vergessen wollte. Machte es ihm Spaß, sie zu quälen?
    „Wie lange?“, wiederholte er unerbittlich. „Rede mit mir, Schatz. Du wirst dieses Bett erst verlassen, wenn du es mir gesagt hast.“
    Verzweifelt schloss Dione die Augen und schluckte angestrengt, um das trockene Gefühl in ihrem Mund loszuwerden. Sie konnte es ebenso gut hinter sich bringen und es ihm gleich sagen. „Zwölf Jahre“, gab sie schließlich zu. Es war so, als würde er ihre Worte direkt über seine Haut aufnehmen, denn sie hatte ihren Kopf beim Sprechen an seinem Hals vergraben.
    „Ich verstehe.“ Tat er das wirklich? Konnte er das wirklich verstehen? Konnte irgendein Mann die Gefühle und Gedanken einer Frau verstehen, die vergewaltigt worden war? Eine Woge der Bitterkeit schoss aus dem schwarzen Loch, in dem sie ihren Schmerz eingemauert hatte. Ihm war es völlig egal, das Uhrwerk zu zerstören, das er gerade untersuchte, solange er herausfand, wie der Mechanismus ursprünglich funktioniert hatte. Ihre Hände verkrampften sich und wollten ihn wegschieben, doch er war mittlerweile deutlich stärker als sie und hielt sie fest umklammert. Hart und unnachgiebig lag sein Körper an ihrer Seite. Nach einer Weile gab sie auf und blieb starr und abweisend neben ihm liegen.
    Blake strich mit seinen langen, schlanken Fingern über ihre weiche Schulter und zog sie noch dichter an sich heran, so als wolle er sie beschützen. „Zwölf Jahre sind eine lange Zeit“, bemerkte er. „Du musst damals fast ein Kind gewesen sein. Wie alt bist du jetzt?“
    „Dreißig.“ Sie hörte die Panik in ihrer Stimme, spürte, wie ihr Herz raste und Unmengen von Luft durch ihre Lunge jagten. Sie hatte ihm schon viel zu viel erzählt. Jetzt konnte er die einzelnen Puzzleteile aneinanderfügen und sich die ganze hässliche Geschichte zusammenreimen.
    „Dann warst du damals also erst achtzehn … Du hast mir erzählt, dass du mit achtzehn verheiratet warst. Hast du seitdem denn niemanden mehr geliebt? Bei deinem Gesicht und deinem Körper müssten die Männer eigentlich Schlange gestanden haben. Schau mich doch an: Ich schmelze wie Butter, wenn ich dich nur sehe. Warum hast du niemandem erlaubt, dich zu lieben?“
    „Das geht nur mich etwas an“, entgegnete sie barsch und versuchte erneut, sich von ihm abzuwenden. Er hielt sie fest, ohne ihr wehzutun, einfach, indem er seine Beine und Arme um sie schlang. Gereizt von seiner festen Umklammerung, kreischte sie: „Männer lieben Frauen nicht! Sie verletzen und demütigen sie, und am Ende fragen sie: ‚Was ist los? Bist du frigide?‘ Lass mich gehen!“
    „Das kann ich nicht“, sagte er, und seine Stimme klang seltsam brüchig dabei. In ihrem aufgelösten Zustand nahm sie gar nicht wahr, wie sehr ihre Worte ihn schockierten. Sie begann jetzt einen ernsthaften Befreiungsversuch, trat seine Beine, langte nach seinem Gesicht, um es zu kratzen, und warf ihren ganzen Körper hin und her, um sich aus dem Bett zu winden. Er packte ihre Hände und zog sie von seinen Wangen weg, bevor sie ihm wehtun konnten. Dann rollte er sich auf sie und hielt sie mit seinem Gewicht fest.
    „Dione, hör auf!“, schrie er. „Verdammt noch mal, rede mit mir! Bist du vergewaltigt worden?“
    „Ja!“, kreischte sie. Ein erster Schluchzer brach hervor. „Ja, ja, ja! Verdammt noch mal, ich möchte nicht daran erinnert werden. Begreifst du das nicht? Die Erinnerung daran bringt mich um!“
    Ein weiterer Schluchzer quälte sich aus ihrer Brust. Ihre Augen waren trocken und brannten. Ihr Brustkorb hob und senkte sich krampfhaft, und sie gab schreckliche Laute von sich, in denen sich der ganze, lange unterdrückte Schmerz entlud.
    Blakes Kopf sank wieder herunter, und weil ihm die Wut den Hals

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