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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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mich erinnern.«
    »Es ist ganz normal, daß Sie sich nicht an mich erinnern«, erklärte Paula. »Ich bin immer dienstags und donnerstags hier,
wenn Sie Ihrem Mann in der Praxis helfen. Wenn ich morgens komme, sind Sie immer schon weg, und ich mache Schluß, ehe Sie zurück sind.«
    »Aber ich habe Sie doch eingestellt«, meinte Jane.
    »Nein, eingestellt hat mich Ihr Mann.«
    »Mein Mann?« Jane war erstaunt. Sie hatte zwar noch immer keine Vorstellung von der Art der Beziehung zwischen ihr und Michael, dennoch fand sie es merkwürdig, daß er die Hausangestellten aussuchte.
    »Ich lernte Ihren Mann im Krankenhaus kennen«, teilte Paula ihr in sachlichem Ton mit. »Er hat meine Tochter operiert.«
    »Ach, Sie haben eine Tochter?«
    »Ja. Christine. Sie wird jetzt bald fünf. Dank Dr. Whittaker.«
    »Sie meinen, er hat ihr das Leben gerettet?«
    »Sie hatte spinale Aneurysmen. Eines Tages, als sie unten im Hof mit den andern Kindern spielte, fing sie plötzlich furchtbar zu weinen an und jammerte, sie könne nicht mehr gehen. Ich raste mit ihr ins Krankenhaus, wo man die Aneurysmen feststellte. Ihr Mann operierte sie. Die Operation dauerte acht Stunden, und ein paar Tage lang schwebte sie in Lebensgefahr. Ohne Ihren Mann wäre sie gestorben.«
    »Aber jetzt geht es ihr wieder gut?«
    »Sie muß ein Stützkorsett tragen. Wahrscheinlich für immer. Aber sie läßt sich davon kaum einschränken. Noch Toast?«
    »Wie bitte?«
    »Ob Sie noch etwas Toast möchten?«
    Jane sah mit Überraschung, daß sie beide Scheiben Toast aufgegessen hatte. »Äh - nein, danke. Es hat wunderbar geschmeckt.«
    »Sie könnten aber leicht ein paar Pfund mehr vertragen.«
    Jane blickte an sich hinunter, sah die Konturen ihrer Brüste unter dem weißen Baumwollnachthemd. Sie hätte wahrscheinlich einen Morgenrock anziehen sollen.

    »Wo ist Ihre Tochter jetzt?« fragte sie mit einem Blick zum Flur, als erwarte sie, das Kind dort zu sehen.
    »Meine Mutter kümmert sich um sie.«
    »Damit Sie sich um mich kümmern können.«
    »Das tue ich doch gern.«
    »In ein, zwei Tagen komme ich hier bestimmt wieder allein zurecht.«
    »Nein, nein. Ich bleibe, bis alles wieder normal ist«, erklärte Paula in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    »Aber wie kam es eigentlich dazu, daß mein Mann Sie einstellte?« fragte Jane, zu ihrer ursprünglichen Frage zurückkehrend.
    Paula räumte den Tisch ab und begann, das Geschirr abzuwaschen. »Ihr Mann«, sagte sie, während sie einen der Teller mehrmals mit klarem Wasser spülte, »ist sehr empfindsam für die Nöte anderer Menschen. Er wußte, daß ich Christines Operation niemals hätte bezahlen können. Darum veranlaßte er, daß der größte Teil der Kosten von einer wohltätigen Organisation übernommen wurde, mit der er zu tun hat. Und dann bot er mir die Arbeit hier bei Ihnen an.«
    »Und Ihr eigener Mann? Konnte der nicht helfen?« fragte Jane, die genau spürte, daß Paula in Michael verliebt war, und ahnte, daß Michael von Paulas Gefühlen keine Ahnung hatte.
    »Ich war nie verheiratet.« Paula machte sich daran, das Geschirr zu trocknen, das sie gerade gespült hatte. »Der Mann, mit dem ich zusammen war, wollte von Ehe und Kindern nichts wissen. Das ging ihm zu weit. Für mich kam ein Schwangerschaftsabbruch nicht in Frage. Ich bin streng katholisch erzogen worden. Ich behielt das Kind und habe mich seither mehr oder weniger allein mit ihr durchgeschlagen.« Paula warf Jane einen Blick zu, um ihre Reaktion festzustellen.
    »Ich war in der Schule keine Leuchte«, fuhr sie fort, »und konnte froh sein, daß ich nach dem Abgang überhaupt eine Anstellung
fand. Und nach Christines Geburt bekam ich keine Arbeit mehr. Ich lebte von Sozialhilfe, als Christine operiert werden mußte. Die meisten Ärzte hätten sie sich nicht einmal angesehen. Denen geht’s doch allen nur darum, sich die Taschen zu füllen.«
    Augenblicklich fielen Jane die Hundert-Dollar-Scheine in ihren eigenen Manteltaschen ein, und sie runzelte die Stirn.
    »Oh, entschuldigen Sie«, sagte Paula sofort. »Sie haben wahrscheinlich viele Freunde, die Ärzte sind.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.«
    »Ich wollte Ihnen auch nur sagen, wie großartig sich Ihr Mann mir gegenüber verhalten hat. Er hat mein Kind gerettet, und er hat mich gerettet. Er half mir, in einer Abendschule unterzukommen, und er besorgte Christine einen Platz in einer Sonderschule für behinderte Kinder. Er setzte durch, daß mein Name ganz oben

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