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Laufend loslassen

Laufend loslassen

Titel: Laufend loslassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Mall
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    Allmählich wird die Landschaft schöner, erinnert mich mit ihren steinigen Feldern ein wenig an die Fränkische Schweiz, in der ich gerne wandere. Der Himmel hellt etwas auf. Fünf Kilometer vor Lascabanes habe ich endgültig keine Lust mehr. Das rechte Bein macht sich wieder bemerkbar und will Ruhe, der ganze Pilger auch. In der Heidelandschaft neben dem Weg finde ich leicht einen Platz, wo ich ungesehen das Zelt aufbauen kann. Um halb sechs ist es fixiert, ganz aufgebaut wird es erst kurz vor der Dunkelheit. Der gemütliche Teil des Tages kann beginnen. Gelaufen bin ich heute mindestens 21 Kilometer, laut Führer aber nur 17 Kilometer vorangekommen. Aber das lässt sich leicht aufholen. Immerhin habe ich noch fast zwei Drittel des Pilgerweges vor mir.
     

Montag, 2. Juli
    Ich wache um sechs Uhr auf, frühstücke. Doch dann merke ich, dass ich mich noch sehr müde fühle.
    Also schlafe ich noch eine Runde. Kurz vor neun Uhr wache ich erholt auf. Um zehn Uhr breche ich auf.
    Nach eineinhalb Stunden ist Lascabanes erreicht, wo ich mir meinen Stempel für gestern besorgen will und etwas einkaufen. Aber das Bürgermeisteramt und auch der Gite mit seiner Epicerie sind zu. Um 13 Uhr öffnet er, heißt es. Soll ich warten? Immerhin gibt es Getränkeautomaten, aber ich habe kein Münzgeld. Zum Glück kommt ein Schweizer Pilger, der den Weg in Genf angefangen hat und bis St. Jean Pied de Port will, und kann wechseln. Während ich eine Cola trinke, mir dann die Kirche und den Ort ein wenig anschaue, hat der Gite schon offen. Ich kaufe Schokoladenplätzchen und Bananen, wovon ich einen Teil gleich esse. Um ein Uhr geht es dann weiter. Montquc umgehe ich. Der Weg führt vorbei an Getreidefeldern, von denen die ersten schon abgeerntet sind, an Sonnenblumenfeldern, in denen die ersten Exemplare schon ihre Blüten in die Sonne halten, an Wein, an Mais, der hier teilweise schon hoch steht. Vereinzelt sieht man Feigenbäume, in den Wäldern häufig Steineichen. Es sieht nach fruchtbarem Land aus und ähnelt dem Steigerwald-vorland, kommt mir also sehr vertraut vor. In der Nähe von Montlauzun kommt dann ein Bauernhof, der eigene Produkte und Kaffee anbietet. An Letzterem stärke ich mich für die restlichen gut zwei Stunden bis Lauzerte. Kurz vor halb acht erreiche ich das Ortsschild, kann gerade noch im Supermarkt reichlich für den Abend einkaufen und suche dann den Campingplatz.
    Ich finde einen Wohnmobilstellplatz mit Wasser und Toiletten und einer schön gemähten Wiese an einem kleinen Flüsschen mit Wasserfall, wo ich mein Zelt aufbaue, genüsslich und gut speise und dann ungestört und kostenfrei bis zum nächsten Morgen schlafe. Beim Einschlafen denke ich noch mal nach über heute und stelle fest, dass es - seelisch betrachtet — ein recht ereignisloser Tag war und wie wichtig es gleichzeitig ist, beim Pilgern gut für das körperliche Wohlergehen zu sorgen.
     

Dienstag, 3. Juli
    Um 7 Uhr wache ich auf, kurz nach neun ist Aufbruch. Rekord für eine Nacht im Zelt. Dann steige ich erst einmal den steilen Hügel nach Lauzerte hinauf, um Kaffee zu trinken und mir meinen Stempel zu holen. Alles finde ich am zentralen Platz an der Kirche. Dort gibt es auch Pilger, darunter eine französische Schulklasse. Aber auch ein paar ältere, hochnäsig auf die Pilger herabblickende englische Touristinnen, die dem alten Film ,Arsen und Spitzenhäubchen.“ entsprungen sein könnten. Ich lasse mir Zeit, erledige Post, schaue mir zwischendurch die Kirche an, die mich nicht beeindruckt, und breche um zwölf Uhr auf. Der Weg ist heute gut, oft trocken und erdig, die Landschaft fruchtbar wie gestern. Für die neuneinhalb Kilometer bis L'Auberge de l'Aube Nouvelle brauche ich trotzdem dreieinviertel Stunden.
    Um Notizen zu machen, kehre ich ein, trinke Kaffee im Garten mit viel Vogelgezwitscher.
     
    Heute beeinträchtigen mich heftige Zahnschmerzen. In meinem Leben bin ich davon bisher sehr verschont geblieben. Nur einmal, auch auf einer Reise, vor 15 Jahren, hat sich einer meiner Zähne gemeldet. Ich erinnere mich, ihn mit Pfefferminzöl behandelt zu haben, bis er schließlich nach einer Woche aufgegeben hat, mich zu peinigen. Ich hoffe, es gelingt mir auch diesmal, denn sonst kann das heiter werden - ich bin noch fast zwei Monate unterwegs. Irgendwo zu einem Zahnarzt zu müssen, den ich nicht kenne, ist mir ein Gräuel und ich verdränge den Gedanken daran. Also versuche ich es mit einer leichten Schmerztablette und dem

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