Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
Anschleichen an den Feind üben, und so bereitete es ihm nicht die geringste Mühe, unbemerkt bis zum Dorfplatz vorzudringen. Dort verbarg er sich hinter einer Hütte. Nun konnte er die Traumspinner erkennen, die, an Händen und Füßen gefesselt, in der Mitte ihrer Siedlung lagerten. Und die Männer, die um sie herumstrichen, gehörten zu Borborons Schwarzer Garde!
Alariks Blick schweifte zum Ende der Lichtung. Auch dort loderte ein Feuer, dem die Schwarzen Ritter jedoch keine Beachtung schenkten. Das ließ nur einen Schluss zu: Dort mussten Verbündete von ihnen lagern, wenn nicht gar Komplizen – und vielleicht sogar der Schwarze Fürst!
Oh, oh!, dachte Alarik beklommen. Die viele Tage währende Gesellschaft des Platzwechslers hatte bei ihm Spuren hinterlassen. Was Borboron wohl im Schilde führen mag?
Trotz heftigen Grübelns fand Alarik keine Antwort darauf, und so beschloss er, in den Schutz der Bäume zurückzukehren, um das Geschehen aus der sicheren Deckung zu beobachten. Den Blick auf die wachhabenden Schwarzgardisten gerichtet, zog Paravains Knappe sich Schritt für Schritt zurück. Erst in unmittelbarer Nähe des Waldrandes drehte er sich um – und erschrak beinahe zu Tode: Direkt vor ihm stand ein Recke in schwarzer Rüstung, der ihn grimmig anstarrte.
»Sieh an, sieh an!« Die Stimme des dunklen Schergen triefte vor Hohn. »Wenn das nicht eine von Elysions erbärmlichen Kreaturen ist!«
Die Hand des Recken fuhr zum Schwert, das an seiner Seite baumelte, und bevor der Knappe wusste, wie ihm geschah, blitzte die blanke Klinge vor ihm im Mondlicht auf. Der Ritter hob das Schwert über den Kopf.
D ie geflügelten Monster waren schon fast heran, als Laura sich die Fechtmaske über den Kopf zog. Zumindest ihr Gesicht war damit vor den spitzen Zähnen geschützt, und auch die wattierte Fechtjacke würde einige Angriffe überstehen, bevor die blutrünstigen Tiere ihr ernsthafte Wunden zufügen konnten. Außerdem würde sie sich nicht kampflos ergeben.
Bestimmt nicht!
Entschlossen umklammerte Laura das Florett und hieb wie von Sinnen auf die Angreifer ein. In ihren Ohren dröhnte und sirrte es wild. Die peinigenden Geräusche mussten von den hochfrequenten Tönen der Fledermäuse herrühren, die für menschliche Ohren normalerweise nicht hörbar waren, sich nun aber so überlagerten, dass sie schrille Dissonanzen erzeugten.
Wieder und wieder hieb das Mädchen mit der Waffe um sich. Doch für jeden der Beißer, den es niederstreckte, griffen mindestens zwei weitere an. Die getroffenen Tiere stürzten zu Boden, wo sie sich augenblicklich in eine zähflüssige, pechartige Masse auflösten, die einen üblen Gestank verbreitete. Laura registrierte das nur am Rande, denn sie kämpfte um ihr Leben. Gleich einem Berserker ließ sie die Klinge wirbeln – aber es waren einfach zu viele Angreifer, als dass sie ihrer hätte Herr werden können. Sie waren überall. Dutzende der Biester hatten sich in ihre Maske verbissen, während andere die Zähne in ihren Körper schlugen. In Arme und Beine und wo immer sie nur zupacken konnten. Schon nach kurzer Zeit wusste Laura nicht mehr, wohin sie das Florett führen sollte, denn sie war über und über mit rasenden Fledermäusen bedeckt und wie von einem Bienenschwarm eingehüllt.
Lauras Kräfte schwanden. Das Gewicht der unzähligen Tiere, die an ihr hingen, zwang sie zu Boden. Das schmerzhafte Sirren in ihren Ohren wurde übertönt von Biss- und Reißgeräuschen, mit denen sich die fliegenden Piranhas mehr und mehr durch ihre Schutzkleidung fraßen. Schon schmerzten die ersten Wunden an Armen und Beinen. Und der Geruch und der Geschmack des Blutes steigerte die Angriffslust der Biester. Wie Irrwische schlugen sie mit den Flügeln, während sie gierig auf Laura niederstießen. Ihr schwanden bereits die Sinne, als sie wie aus weiter Ferne eine Stimme hörte:
»Parbleu! I’r sollt miisch kennen lernen, ihr Teufelspack! Iisch werde eusch Mores le’ren, eusch ‘öllenbrut!«
Percy Valiant!
Sekunden später vernahm Laura ein Zischen – und eine schaumige Masse ergoss sich über sie. Die Fledermäuse ließen blitzartig von ihr ab und ergriffen die Flucht. Wohin sie verschwanden, bekam Laura gar nicht mit. Bis sie sich aufgerichtet, die Fechtmaske heruntergezogen und den Schaum abgewischt hatte, war keine Spur mehr von ihnen zu sehen.
Auch die Vogelscheuche war verschwunden.
Dafür stand Percy Valiant vor ihr. Mit einem Feuerlöscher in der Hand blickte er sie
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