Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
Quietschen der Matratze lenkte Kaja ab. Sie drehte sich um. »Ist was?«
»Ähm.« Laura räusperte sich. »Was soll denn sein?«
Kaja runzelte die Stirn. »Genau das frage ich ja.«
»Ähm… Nein, nichts.«
»Na, dann«, murmelte Kaja, wenig überzeugt, bevor sie sich wieder ihren Aufgaben zuwandte.
Leise atmete Laura auf. Das hätte ihr gerade noch gefehlt, dass Kaja mitbekam, was sie vorhatte! Schon beim Frühstück würde die komplette 7b darüber Bescheid wissen, wenn nicht sogar das ganze Internat.
Dann willst du dich tatsächlich mit ihm treffen?, bohrte die innere Stimme weiter.
Wieso denn nicht?
Und wenn er es nicht ernst meint und gar nicht erst kommt?
»Quatsch!«, sagte Laura laut, ohne es zu wollen. Als Kaja ihr erneut einen verwunderten Blick zuwarf, grinste Laura nur verlegen. Dass ihre Wangen mit Sicherheit die Farbe reifer Tomaten angenommen hatten, schien der Freundin zum Glück nicht aufzufallen.
Kurz vor neun wurde Kaja allerdings doch noch misstrauisch. Als Laura die Fechtsachen aus dem Kleiderschrank holte, sah sie von dem dicken Schmöker auf, mit dem sie sich auf ihr Bett gehockt hatte. »Was soll das denn werden?«, fragte sie überrascht.
»Wonach sieht’s denn aus?« Lauras Antwort war schroffer als gewollt.
»Oh, nö!« Kaja schüttelte ungläubig den Kopf. »Du willst doch nicht etwa zum Fechten? Jetzt noch, um diese Zeit?«
»Ähm.« Laura suchte nach einer plausiblen Erklärung. »Percy… Ähm… Du weißt doch, dass er mit den Proben zum Drachenstich ganz schön eingespannt ist.«
»Ja, und?«
»Tagsüber hat er einfach keine Zeit für mich. Deshalb musste das Training schon so oft ausfallen. Und bevor ich ganz aus der Übung komme…«
Kaja schüttelte erneut den Kopf. »Wie kann man nur so verrückt sein! Aber trotzdem – viel Spaß!«
»Den werde ich bestimmt haben.« Erleichtert lächelte Laura die Freundin an. Aber das bekam die schon gar nicht mehr mit. Sie hatte sich bereits wieder in das Buch vertieft und schob sich eine dicke Praline zwischen die Zähne.
Jedem, wie es ihm gefällt, dachte Laura erleichtert, weil sie Kajas Misstrauen zerstreut hatte, ohne zu einer Lüge greifen zu müssen.
Die Turnhalle war tatsächlich nicht abgeschlossen. Philipp hatte also Wort gehalten! Siehst du?, sagte Laura zu ihrer inneren Stimme, als sei diese eine zweite Person. Du immer mit deinem albernen Misstrauen!
Sie ging in denUmkleideraum der Mädchen und schlüpfte hastig in den Fechtanzug. Nur Augenblicke später trat sie in die Halle, die Fechtmaske unter dem Arm und das Florett in der Hand. Ein Geruch nach abgestandenem Schweiß stieg Laura in die Nase. Wahrscheinlich hatte es Percy nach dem Unterricht so eilig gehabt, dass er vergessen hatte zu lüften. Von Mr. Cool war weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich war er noch beim Umziehen. Schon tastete Lauras Hand nach dem Lichtschalter, als sie im letzten Moment innehielt. War vielleicht besser, die Beleuchtung nicht einzuschalten. Wenn jemand sah, dass um diese Zeit Licht in der Halle brannte, schöpfte er bestimmt Verdacht. Außerdem war es draußen noch hell. Das Licht, das durch die Fenster fiel, war allemal ausreichend für ein Training. Länger als eine halbe Stunde würde Philipp ohnehin nicht durchhalten.
Oder doch?
Laura rollte die Planche aus und machte einige Dehn- und Aufwärmübungen, während sie wartete.
Wo blieb Mr. Cool nur?
Endlich ertönten Schritte draußen im Gang, die sich langsam näherten. Allerdings klangen sie recht merkwürdig: »Tok!
Tok! Tok!« Als würde ein Einbeiniger mit Holzbein auf die Turnhalle zuhumpeln.
»Tok! Tok! Tok!« Immer wieder.
Erlaubte sich Philipp einen doofen Scherz mit ihr?
»Tok! Tok! Tok!«
Wollte er ihr vielleicht Angst einjagen?
»Tok! Tok! Tok!«
Was war das, verdammt noch mal?
Da wurde die Tür aufgestoßen – und Laura glaubte ihren Augen nicht zu trauen: Das war nicht Philipp, der da in die Halle trat.
Das war überhaupt kein Mensch!
Im Türrahmen stand vielmehr die unheimliche Vogelscheuche, die sie bereits mehrfach gesehen hatte. An der Alten Gruft; auf der Ausgrabungsstätte in Drachenthal und erst am Nachmittag im Burgpark, auf dem Areal der Archäologen.
Als der Frackmann mit dem aufgemalten Totenschädel-Gesicht näher kam, erkannte Laura, dass es die senkrechte Stange des hölzernen Gerüstes war, die das Geräusch erzeugte.
»Tok! Tok! Tok!«
Den Griff ihrer Waffe fester umklammernd, wich Laura unwillkürlich zurück.
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