Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
konnte. Ein Schwall muffiger Luft waberte ihr entgegen, jedoch zu ihrer Verwunderung keinerlei Verwesungsgeruch. Mit angehaltenem Atem beugte das Mädchen sich vor, um über den Rand des Sarkophags zu schielen. Dass der Bruder blass wurde und sich abwandte, merkte es gar nicht.
Langsam ließ Laura den Lichtkegel in Richtung Sargboden wandern. Gleich musste das Skelett des Ritters sichtbar werden. Tiefer und tiefer senkte sich der Strahlenfinger in den Sarkophag – aber keine Spur von dem Grausamen Ritter!
Seltsam! Was war bloß mit Reimars sterblichen Überresten geschehen?
Maßlos erstaunt wandte Laura sich dem Bruder zu – und musste plötzlich grinsen. »Hey!« Sie stieß Lukas an. »Du kannst die Augen wieder aufmachen. Es gibt keine Leiche! Noch nicht einmal ein Knöchelchen!«
Lukas murmelte unverständliche Worte, die nach Ausflucht klangen, riskierte aber schließlich doch einen Blick in den steinernen Sarg. Er war leer – bis auf ein schmales Stück Metall. »Du hast tatsächlich Recht gehabt, Laura«, brachte er aufgeregt hervor. »Da ist ja das gesuchte Teil!«
Es handelte sich unverkennbar um die Schwertspitze, die Rika Reval in Drachenthal gefunden hatte. Das Rad der Zeit, dessen bruchstückhafte Gravur sich auf der Klinge befand, bewies das eindeutig.
»Und jetzt?« Lukas sah die Schwester fragend an. »Nehmen wir sie an uns?«
»Natürlich nicht!«
»Hab ich’s mir doch gedacht.« Der Junge feixte. »Sonst würden die Dunklen doch merken, dass wir hinter ihr Geheimnis gekommen sind.«
Laura erwiderte das Grinsen. »Genau. Und deshalb bleibt die Spitze, wo sie ist. Wahrscheinlich werden sie auch die anderen Teile – falls sie sie finden, natürlich! – hier drin verstecken, um sie dann in der Nacht der Sommersonnenwende zu ihren Verbündeten nach Aventerra zu schaffen. Aber leider…« – Laura seufzte theatralisch und hob wie zum Bedauern die Hände – »… wird daraus nichts werden.«
»Natürlich nicht!« Im Licht der Taschenlampe sah der grinsende Junge aus wie ein Kobold.
»Weil wir nämlich kurz vorher zuschlagen werden!« Lauras diebische Freude war nicht zu überhören. »Bevor die merken, was los ist, bringe ich die Schwertteile zu den Kriegern des Lichts. Und dann werde ich Papa mit ihrer Hilfe aus der Dunklen Festung befreien. Was hältst du von meinem Plan, Lukas?«
»Klingt super!« Der Junge zeigte ihr den Daumen. »Einfach phänotastisch!«
Als die Geschwister den schweren Deckel wieder zurückschoben, ahnten sie nicht, dass es ganz anders kommen würde als geplant.
A larik war bitter enttäuscht. Schließlich hatte er sich so darauf gefreut, endlich die Erleuchtlinge zu sehen. Somnis Einwand, dass das nur den Traumspinnern möglich sei, hatte er gar nicht ernst genommen. Jetzt aber stand er in einem der nestähnlichen Verschlage, die sich hoch über dem Boden in die Wipfel der Traumwaldbäume schmiegten, blickte ratlos auf die bienenkorbähnlichen Behältnisse, die darin aufbewahrt wurden, und sah – nichts. Natürlich konnte er die Waben darin erkennen. Sie erinnerten ebenfalls an die von Bienen, nur dass sie nicht acht, sondern dreizehn Ecken aufwiesen. Diese dreizehneckigen Waben aber waren leer. »Wo sind die Larven denn?«, fragte er Somni verwundert, und auch Schmatzfraß, der auf seiner Schulter saß, machte ein ratloses Gesicht. »Ich kann nicht eine davon sehen!«
»Hab ich dir doch gleich gesagt!« Der Dreistängelhoch grinste über das ganze grüne Gesicht. »Aber du wolltest mir ja nicht glauben. Dabei sind die Waben voller Larven. Es wimmelt nur so darin. Sobald sie herangereift sind, schlüpfen Geschöpfe aus reinem Licht daraus hervor – die Erleuchtlinge! Habe ich Recht, Malhiermalda?«
Gleich einem Floh in einer Streichholzschachtel hüpfte der Platzwechsler unruhig in dem Verschlag herum. »Wird wohl so sein, wird wohl so sein«, krähte er und sprang von der linken Wand zu rechten. »Bin allerdings keiner von euch, und so hab ich auch noch nie eines der Geschöpfe zu Gesicht gekriegt, die ihr da heranzüchtet.«
»Siehst du!«, sagte Somni beinahe vorwurfsvoll. »Malhiermalda hat es verstanden – nur du scheinst etwas länger zu brauchen.«
Alarik wollte schon zu einer Erwiderung anheben, als die Stimme von Paravain zu ihm heraufschallte. »Alarik! Kommst du? Es ist Zeit zum Aufbruch!«
Der Ritter hatte sein Pferd und das Steppenpony des Knappen bereits gesattelt, und so verabschiedeten sich Paravain und Alarik von Meister Orplid und
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