Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
stieg auf aus Minzis Maul, und die possierliche Katze verwandelte sich in ein räudiges Vieh mit struppigem schwarzem Fell, ein Monster, das nur ein Auge hatte: Groll, der längst verendete Kater von Albin Ellerking war wieder zum Leben erweckt worden!
Aufgeregt fauchend und buckelnd, richtete Groll sein schwefelgelbes Teufelsauge auf den Nachtalb, der vor ihm in die Knie gegangen war.
»Schön dich wiederzusehen, mein Freund.« Albins dünne Stimme klang sanft, beinahe zärtlich. »Sprich: Was hast du mir diesmal zu berichten?«
»Dieses Balg, Herr, der Teufel soll es holen«, sprach Groll mit der gleichen Stimme wie sein Herr. »Es macht sich lustig über Euch!«
»Lustig?« Die grünen Nachtalbaugen funkelten.
Groll knurrte. »Ihr wärt dümmer als eine Strohpuppe, hat sie zu ihren Freunden gesagt und behauptet, dass sie sich längst in den Besitz der Schwertspitze gebracht hätte – und Ihr, Ihr hättet das noch nicht mal gemerkt!«
»Sie lügt!« Albins Stimme bebte vor Wut. »Laura kann doch gar nicht wissen, wo sie versteckt ist! Ich habe doch sorgfältig darauf geachtet, dass mir niemand folgt!«
Der Kater schnurrte, dass die langen Barthaare zitterten. »Dann ist’s ja gut, Herr, andernfalls…«
»Ja?«
»Andernfalls müsste ich mir Sorgen um Euch machen.« Groll legte den Kopf schief und schnurrte: »Der Großen Meisterin würde ganz und gar nicht gefallen, wenn Laura ihren Plan durchkreuzen würde. Und Ihr, Ihr müsstet das dann ausbaden – bestimmt!«
»Unsinn! Dazu gibt es überhaupt keinen Grund. Komm, mein Freund, ich werde dir beweisen, dass die Göre gelogen hat!« Er bückte sich, sodass das Katzenvieh auf seine linke Schulter springen konnte, und erhob sich. Nur wenige Augenblicke später war der Nachtalb zwischen den Bäumen des Henkerswaldes verschwunden.
Laura stieß den Bruder an. »Genau wie ich vermutet habe. Minzi ist nichts weiter als eine zweite Gestalt von Groll. Nur muss sie erst in diesen zurückverwandelt werden, um mit ihrem Herrn sprechen zu können. Das Vieh hat alles verraten, was es von uns erfahren hat. Und dass die Dunklen hinter dem Verschwinden der Schwertspitze stecken, habe ich auch richtig vermutet.«
»Was so schwierig ja auch wieder nicht war!« Lukas schob die Äste des Haselbusches auseinander und trat hervor. »Wer sonst außer den Dunklen sollte sich dafür auch interessieren?«
»Ist ja gut.« Verärgert, weil der Bruder ihren Geistesblitz als beiläufig abtat, folgte Laura ihm. »Sehen wir lieber zu, dass Ellerking uns nicht entwischt. Obwohl ich schon ahne, wo der hin will. Nämlich – «
» – zur Alten Gruft, nicht wahr?«, fiel der Bruder ihr ins Wort.
»Wie schlau du doch bist. Einfach oberschlau!«, sagte Laura und streckte ihm die Zunge raus.
Ellerking eilte tatsächlich schnurstracks zum Mausoleum, und so hatten Laura und Lukas keinerlei Probleme, ihm auf den Fersen zu bleiben. Zum Glück waren rings um das verfallene Gemäuer weder Misteln noch die unheimliche Vogelscheuche zu entdecken. Offensichtlich hatten sie genug damit zu tun, die Ausgrabungsstätte zu bewachen. Ohne sich auch nur einmal umzublicken, verschwand der Gärtner im Dunkel des Ganges, der ins Innere der Grabstätte hinabführte. Groll hockte immer noch auf seiner Schulter, als sei er dort festgewachsen.
Lukas schaute die Schwester fragend an. »Sollen wir ihm nicht folgen?«
»Nein.« Laura schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich! Wenn die Schwertspitze tatsächlich in der Gruft verwahrt wird, werden wir sie auch so finden. So viele geeignete Verstecke gibt es darin ja nicht.«
Sie zogen sich hinter eine riesige Buche zurück und warteten. Es dauerte nicht lange, bis der Gärtner wieder ins Freie trat. »Genau vier Minuten«, sagte Laura, die auf die Uhr geschaut hatte.
Ellerking war offensichtlich höchst zufrieden. »Siehst du, mein Freund«, erklärte er in überschwenglichem Ton, »du hast dir unnötig Sorgen gemacht. Aber ich habe ja gleich gewusst, dass sie gelogen hat!«
»Ihr habt Recht, Herr.« Groll maunzte unterwürfig. »Tut mir Leid, dass ich Euch unnötig in Aufregung versetzt habe. Aber ich hielt es für meine Pflicht, Euch zu warnen. Schließlich kann man nie wissen…«
»Aber natürlich, mein Lieber!« Ellerking nahm das Katzenvieh auf den Arm und kraulte zärtlich das räudige Fell. »Das hast du sehr gut gemacht. Man kann nie vorsichtig genug sein. Und bei dieser Laura schon gar nicht! Deshalb sollst du auch deine verdiente Belohnung kriegen,
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