Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
antwortete Laura ernst, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. Eben wollte sie zu einer weiteren Erklärung anheben, als sie das Krächzen vernahm. Ein Krächzen wie von einem riesigen Krähenschwarm.
Es kam rasend schnell näher.
Das Mädchen schnappte nach Luft und blickte mit großen Augen zum Fenster. Waren das etwa Ellerkings Krähen!
Aber das war doch nicht möglich! Diese schrecklichen Totenvögel, die im Bann des Gärtners gestanden und die Alte Gruft bewacht hatten, waren doch seit der Wintersonnenwende spurlos verschwunden! Sollten sie mit einem Male und wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht sein?
Lukas hatte die schaurigen Vögel wohl auch gehört. Mit verwunderter Miene erhob er sich, trat ans Fenster und zog den Vorhang zur Seite – und da erkannte Laura, dass sie sich nicht getäuscht hatte: Gleich einer stetig durcheinander wirbelnden dunklen Wolke kreiste ein riesiger Krähenschwarm über der Burg. Es mussten Hunderte von Gefiederten sein, wenn nicht sogar Tausende.
Laura stellte sich neben den Bruder und starrte wie er zum Himmel. »Das sind Ellerkings schwarze Krähen«, flüsterte sie heiser. »Und ich hatte schon gehofft, dass die Hölle sie verschluckt hat.«
»Aber Laura!« Lukas schien alles andere als überzeugt. »Es gibt doch Millionen von Krähen!« Beschwichtigend legte er seiner Schwester den Arm auf die Schulter. »Ich kann ja verstehen, dass du hinter allem ein Geheimnis witterst. Nur solltest du es nicht übertreiben und aus jeder harmlosen Kleinigkeit gleich ein Mysterium machen.«
»Aber kapierst du denn nicht?« Das Mädchen klang fast verzweifelt. »Genauso hat es doch auch angefangen, damals bei meinem Ausritt mit Sturmwind: Wie aus dem Nichts ist mir ein riesiger Krähenschwarm erschienen – und danach war nichts mehr so, wie es früher war. Glaub mir, Lukas: Diese Krähen sind ein böses Zeichen. Eine Ankündigung, dass irgendetwas vor sich geht. Und du kannst sagen, was du willst, aber ich bin mir ganz sicher, dass es mit diesem Schwert zu tun hat!«
K apitel 6 Die
Große Meisterin
orwena stellte einen Becher dampfenden Tees auf das Holztischchen neben dem Sessel von Elysion. »Bitte, Herr! Euer Schlaftee. Lasst ihn Euch schmecken.«
»Danke, Morwena.« Absichtslos wanderte Elysions Blick zum Fenster. »Ist es nicht ein wenig früh für den Nachttrunk?«
»Nein, Herr«, antwortete die junge Frau schnell und senkte den Kopf. Dennoch entging dem Hüter des Lichts nicht, dass ein leichtes Rot ihre Wangen färbte. »Ich bringe ihn mit Bedacht eine Stunde früher als sonst.«
»So?« Elysion sah sie fragend an.
»Ja. In den letzten Tagen habt Ihr ständig über schlechten Schlaf geklagt. Deshalb trinkt jetzt eine Tasse und in einer Stunde noch eine, und Ihr werdet sehen, dass Ihr heute in einen tiefen Schlummer fallt wie schon lange nicht mehr.« Morwena lächelte ermunternd, doch es war etwas an ihr, das Elysions Argwohn weckte.
»Dann will ich auf deine Künste vertrauen«, sagte er so beiläufig wie möglich, »und darauf hoffen, dass du Recht behältst.«
»Bestimmt, Herr!« Die Heilerin verneigte sich, eilte auf das große Portal des Thronsaals zu und zog sich zurück.
Nachdenklich schaute Elysion ihr nach. Was hatte sie nur? Hatte sie auch schon Misstrauen geschöpft? Oder hatte Paravain ihr seine Sorgen geklagt? Was nur nahe liegend wäre, so vertraut, wie die jungen Leute inzwischen miteinander waren.
Erst vor wenigen Tagen hatte er, der Hüter des Lichts, die Gedanken seines Ersten Ritters gelesen. Seitdem wusste er, dass Paravain den Verdacht hegte, dass der Herrscher seinen Untergebenen etwas verschwieg.
Der alte Mann seufzte. Wie Recht Paravain doch hatte! Natürlich verschwieg er seiner Gefolgschaft etwas, doch das aus gutem Grund, wie er bislang immer geglaubt hatte. Nun aber nagte der Zweifel an Elysion.
Sofort waren diese bedrängenden Erinnerungen wieder da.
An die bitterste Stunde seines Lebens.
An den größten Fehler, den er jemals begangen hatte.
An die Frau, die ihn dazu überredet hatte.
Nie hätte er ihrem Drängen nachgeben dürfen.
Niemals!
Und doch hatte er es getan.
Seitdem quälte er sich mit dem schrecklichen Geheimnis. Selbst seinen engsten Vertrauten hatte er verschwiegen, was er getan hatte. Weil er unter allen Umständen verhindern musste, dass die Feinde davon erfuhren. Denn sonst würde Borboron sofort gegen ihn in den Kampf ziehen und ein blutiges Gemetzel anrichten.
Das Geheimnis konnte über viele
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