Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
einem Mädchen interessierte er sich gar für die Rundungen ihrer Hüften.
Dieser widerliche Kerl!
Offensichtlich war alles zu Borborons Zufriedenheit, denn er wurde schnell handelseinig mit Gramar. Daraufhin führte die Aufseherin die Unglücklichen sofort weg und brachte sie zu den Schmieden, die ihnen eiserne Fußfesseln anlegen würden.
Die Wunschgaukler wollten die Dunkle Festung schon wieder verlassen, als der Tyrann sie zurückhielt. »Nicht so eilig, Gramar«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Wollt Ihr und Eure Begleiter mir heute Nacht nicht Gesellschaft leisten?«
Der Wunschgaukler war überrascht. »Ich verstehe nicht, Herr…?«
»Ich habe etwas Wichtiges mit Euch zu besprechen.«
»Etwas Wichtiges?« Obwohl Gramar darauf bedacht schien, die freundliche Fassade zu wahren, bemerkte Alienor, dass er trotz der tiefbraunen Hautfarbe blass wurde. »Darf ich fragen, worum es geht?«
»Aber natürlich. Schließlich steht Ihr mir seit langem treu zur Seite!« Ein böses Grinsen verunstaltete das finstere Gesicht des Schwarzen Fürsten noch mehr, und seine Augen leuchteten tiefrot auf. »Ich habe darüber nachgedacht, wie ich meinen Einfluss auf die Bewohner des Menschensterns mehren könnte – und Ihr mit Euren Verführungskünsten könntet mir dabei wertvolle Dienste leisten!«
A ls Laura das Museum betrat, kamen ihr zwei Männer entgegen. Sie erkannte sie sofort: Bei dem älteren der beiden, einem bulligen, untersetzten Typen mit militärischem Haarschnitt und ergrautem Schnauzbart, handelte es sich um Kriminalkommissar Wilhelm Bellheim. Der jüngere, ebenso hager wie lang, war sein Assistent Anton. Laura kannte die Kripobeamten, weil sie die Ermittler im Mordfall Pater Dominikus waren. Die Männer schienen Laura auf Anhieb wiederzuerkennen. Geradezu feindselig starrte der Kommissar sie an. »Du hast mir gerade noch gefehlt!«, knurrte er. »Das kann doch kein Zufall sein: Erst trifft man dich am Tatort eines äußerst mysteriösen Mordes, und dann tauchst du ausgerechnet am Schauplatz eines nicht weniger geheimnisvollen Einbruchs auf.«
Laura runzelte die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Nichts.« Bellheim sah sie an wie eine bissige Bulldogge. »Nur dass du eine besondere Affinität zu rätselhaften Verbrechen zu haben scheinst – und das kommt mir langsam ziemlich merkwürdig vor.«
»Affini-was?«
»Affinität«, wiederholte der Kommissar knurrend.
»Und was soll das heißen?«
»Äh«, sagte Bellheim und winkte dann ab. »Ich hab wirklich Wichtigeres zu tun, als dir Nachhilfeunterricht zu erteilen!«
So ein überheblicher Affe!
Was bildete sich dieser Kerl bloß ein? Laura merkte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie musste sich auf die Zunge beißen, damit sie sich keiner Beamtenbeleidigung schuldig machte.
Die unübersehbare Empörung des Mädchens perlte an dem Kommissar ab wie Regen an einer Schutzplane. »Komm schon, Anton«, schnauzte er seinen Gehilfen an. »Wir müssen weiter.« Ohne Laura eines weiteren Blickes zu würdigen, stapfte er davon.
Anton dagegen schenkte ihr ein freundliches Lächeln. ›»Affinität‹ kommt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie Wesensverwandtschaft‹«, flüsterte er ihr mit einem Augenzwinkern zu. »Womit mein Chef wohl sagen will, dass du mysteriöse Verbrechen geradezu anzuziehen scheinst – oder umgekehrt.«
»Verdammt noch mal, Anton, wo bleibst du denn?«, brüllte der Kommissar so laut, dass die Scheiben in den Fenstern klirrten.
Der junge Mann zog bedauernd die Schultern hoch und hastete davon.
Kopfschüttelnd sah das Mädchen ihm nach. Der arme Kerl! Auf Gedeih und Verderb war er den Launen seines mürrischen Chefs ausgeliefert.
Zum Glück kannte Laura die Museumsleiterin von früheren Besuchen her. Zudem war Frau Wegener eine gute Bekannte ihres Vaters. Marius Leander hatte sich vor seinem mysteriösen Verschwinden intensiv mit der Geschichte von Burg Ravenstein und ihrer Umgebung beschäftigt und häufig im Drachenthaler Museum recherchiert.
Die hagere Vierzigjährige mit der blonden Ponyfrisur und den grellroten Lippen und Fingernägeln war ziemlich durch den Wind. »Das gibt es doch nicht«, jammerte sie. »Das gibt es einfach nicht!« Dennoch gelang es Laura, ihr Einzelheiten über die Ereignisse der vergangenen Nacht zu entlocken – und die waren in der Tat mehr als merkwürdig.
Gegen vier Uhr war Frau Wegener, die allein in einem Haus ganz in der Nähe des Museums wohnte,
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