Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
ihre Wangen.
Warum verstand sie nur niemand?
Warum hatte sie keinen, der ihren Kummer teilte?
Warum war sie nur so mutterseelenallein auf der Welt?
Die Konturen des Zimmers verschwammen hinter einem feuchten Schleier, und das Gezwitscher der Vögel, das durch das offene Fenster drang, rückte in weite Ferne, bis es hinter einer Wand aus Kummer und Wehmut verklang.
Als Laura die Stimme ihrer Mutter hörte, meinte sie zunächst, sich getäuscht zu haben. »Was ist denn los, mein Kind?«, fragte Anna Leander sanft.
Verwirrt zuckte das Mädchen zusammen, fuhr herum und blickte auf das Porträtfoto an der Wand. Es war einige Zeit vor dem tödlichen Unfall der Mutter aufgenommen worden. Mit ihren langen blonden Haaren, den blauen Augen und dem Grübchen am Kinn sah Anna aus wie eine ältere Ausgabe von Laura. Nur wirkte sie sehr viel ernster.
»Nicht doch, Laura.« Die Stimme erklang in ihrem Rücken. »Hier bin ich!«
Zögernd drehte Laura den Kopf – und wollte ihren Augen nicht trauen: Neben der Zimmertür lehnte eine Frau an der Wand.
Anna Leander, ihre Mutter, die seit vielen Jahren tot war!
Lauras Herz drohte zu zerspringen, so heftig schlug es. Ein Gefühlssturm brauste durch ihr Inneres. Sie spürte Freude und Schrecken, Jubel und Trauer zugleich. Mit aufgerissenem Mund starrte sie die Mutter an und wusste gar nicht, was sie sagen sollte. »A… A… Aber, Mama«, stammelte sie. »Wi… Wi… Wie kommst du denn hierher?«
»Ganz einfach.« Die Frau lächelte sanft und deutete auf die Tür. »Sie war offen.«
»Das versteh ich nicht, du bist doch…« Sie brach ab, weil das schreckliche Wort einfach nicht über ihre Lippen wollte.
»Na, und?« Anna sah sie aus tiefblauen Augen an. »Warum sollte das was ändern zwischen uns? Hab ich dir nicht versprochen, immer bei dir zu sein, wenn du mich brauchst?«
»Ja, schon.« Laura schluckte. »Und trotzdem: Wie ist es möglich, dass du…?«
»Bitte, Laura!«, unterbrach die Mutter. »Warum machst du immer wieder den gleichen Fehler? Warum glaubst du, dein kleiner menschlicher Verstand sei der Maßstab aller Dinge? Warum akzeptierst du nicht endlich, dass es eine Welt gibt, die jenseits allen menschlichen Wissens liegt?«
Laura antwortete nicht. Während sie die Mutter wortlos musterte, spürte sie, wie sich ihr Herzschlag normalisierte und das aufgewühlte Meer der Gefühle in ihrem Inneren sich allmählich beruhigte. »Dann bist du also gekommen, um mich zu trösten?«, fragte sie schließlich.
Anna Leander nickte. »Ja… und um dir zu helfen. Weil ich fühle, dass du im Augenblick jede Hilfe gut brauchen kannst!«
Erst jetzt bemerkte Laura, dass Minzi vom Bett gesprungen und auf ihre Mutter zugelaufen war. Mit sanften Miauen strich sie um deren Füße.
Anna bückte sich, um das Kätzchen zu streicheln. »Sieht ganz so aus, als würde es mich mögen.« Zufrieden lächelnd richtete sie sich wieder auf. »Sprich, Laura: Was hast du auf dem Herzen?«
Das Mädchen ließ sich nicht lange bitten. Es klagte der Mutter sein Leid und offenbarte ihr den Kummer, den ihm im Augenblick der Bruder, die Freundin und natürlich auch die Klassenkameraden bereiteten.
»Was kümmert es dich, was sie über dich reden? Sollen sie sich ruhig die Mäuler zerreißen. Das wird ihnen bald langweilig werden, und dann hören sie von allein wieder auf. Viel wichtiger ist doch, dass du dich davon nicht ablenken lässt und deine große Aufgabe nicht aus den Augen verlierst. Du musst versuchen, das Geheimnis dieses Schwertes zu lösen.«
Laura staunte die Mutter an. »Woher weißt du von dem Schwert?«
Anna schüttelte sanft lächelnd den Kopf. »Aber Laura«, sagte sie, »glaubst du wirklich, dass ich keinen Anteil daran nehme, was in deiner Welt vor sich geht?«
»Ja, doch. Aber…«
»Ich weiß immer, was dich bedrückt, Laura. Deshalb weiß ich, dass das Geheimnis dieses Schwertes dich im Augenblick über die Maßen beschäftigt. Was ich allerdings nicht so recht verstehe – « Sie brach ab, um bekümmert die Brauen hochzuziehen.
»Was denn, Mama?«, drängte das Mädchen. »Was verstehst du nicht?«
»Warum du dich nicht auf deine besonderen Fähigkeiten besinnst. Sie sind dir doch verliehen worden, damit sie dir bei der Erfüllung deiner Aufgabe helfen. Warum nutzt du sie nicht?«
Laura fühlte Verwirrung in sich aufsteigen. »Das tue ich doch… oder?«
»Tatsächlich?« Anna Leander blickte sie intensiv an. »Den Eindruck habe ich nicht.«
»Wie… meinst du
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