Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Zumal sie mitten in die Sitzung des Großen Drachenrates platzten, der sich darüber die Köpfe heiß redete, wie der Fluch der Drachenkönige umzusetzen sei. »Habe ich nicht befohlen, die beiden wegzusperren?«, fuhr Wiru-Wuru den Wärter aufgebracht an.
Dieser verneigte sich tief. »Ich weiß, Majestät.«
»Und warum schleppst du sie dennoch hierher und beleidigst nicht nur meine Augen, sondern störst meine Minister und mich auch noch bei einer wichtigen Besprechung?«
Erneut machte der Dreikopfdrache einen tiefen Bückling. »Weil es ihr Wunsch war, Majestät«, erklärte er mit fester Stimme.
Die Augen des Drachenkönigs weiteten sich bedrohlich. »Weil… es… ihr… Wunsch… war?«, wiederholte er gedehnt, wobei er die Pausen zwischen den Worten mit feurigen Wolken füllte, die er aus seinem Schlund aufsteigen ließ.
»Sehr wohl«, entgegnete der weit kleinere und um vieles unbedeutendere Kerkerdrache, der sich auch durch die vorwurfsvollen Blicke der Ratsmitglieder nicht einschüchtern ließ. »Und diesen Wunsch konnte ich ihnen nicht abschlagen, Majestät. Ihr wisst doch, dass es bei allen zivilisierten Völkern Sitte ist, Todgeweihten einen letzten Wunsch zu gewähren. Während sich die meisten dieser Unglücklichen auf ihre niederen Instinkte besinnen und sich eine Leckerei servieren lassen – gezuckerte Spinnenbeine zum Beispiel, Moorteufelfilets und gefüllte Giftschleichermägen –, hat dieses Mädchen um eine Audienz bei Eurer Majestät und dem Großen Drachenrat gebeten, Majestät. Der Junge hat sich der Bitte angeschlossen. Wir dürfen den beiden den Wunsch nicht verwehren, wenn wir auch weiterhin zu den zivilisierten Völkern gezählt werden wollen.«
Ein Seufzer rang sich aus der mächtigen Drachenbrust von Wiru-Wuru, bevor er Laura heranwinkte. »So sei es denn. Trage vor, was du auf dem Herzen hast.«
»Danke, Majestät.« Laura verbeugte sich und heftete den Blick auf die sieben Ratsmitglieder, die sich um den König versammelt hatten. »Als Erstes möchte ich betonen, dass ich von Herzen bedaure, was dieser hinterlistige Ritter Eurem König Rahab angetan hat. Und es gibt bestimmt noch eine Menge anderer Menschen, die genauso fühlen wie ich.«
Der Gebieter der Winde winkte verbittert ab. Er beugte sich vor, sodass sein Fieberatem Laura mitten ins Gesicht schlug. »Komm endlich zur Sache, Mädchen!«
»Das, was ich Euch und den hohen Herren des Rates sagen will, kann das Unrecht, das wir Menschen Eurem Volk zugefügt haben, nicht ungeschehen machen, aber…«
»Ja?« Der Gebieter der Winde schien langsam ungeduldig zu werden.
»Ähm… Wusstet Ihr eigentlich, Majestät, dass wir Menschen nicht die Einzigen sind, die Euch auf schändliche Weise hereingelegt haben?«
»Was redest du für einen Unsinn, Mädchen?«, fuhr Wiru-Wuru sie an. »Bist du vom Wahn befallen, oder hoffst du nur auf einen schnellen Tod?«
»Weder das eine noch das andere«, entgegnete Laura mit großem Ernst, um dann auf die verschwenderisch mit Edelsteinen besetzten Wände und Decken des Thronsaals zu deuten. »Es stimmt doch, dass es sich bei diesen Steinen, mit denen ihr den Saal geschmückt habt, um die Kronjuwelen handelt, die Euch dereinst von der Königsfamilie von Gleißenhall übereignet wurden?«
»Genau.« Wiru-Wuru nickte majestätisch.
»Als Ausgleich für die riesigen Gold- und Silberschätze, die ihr in den Drachenbergen zurückgelassen habt, nicht wahr?«
»Auch das ist richtig«, bestätigte der Drachenkönig. »Aber ich wüsste nicht…«
»Nun«, fuhr Laura ungerührt fort. »Nur bei dem geringsten Teil dieser Juwelen handelt es sich um echte Stücke. Die meisten sind Imitationen aus billigem Glas.«
»Du lügst!«, donnerte der Gebieter der Winde sie an. »Das ist nichts als blühender Unsinn!«
»Genauso sehe ich das auch, Majestät!«, pflichtete der Horndrache ihm bei. »Welch niederträchtige Verleumdung!«
»Du solltest dich schämen, Menschenkind!«, schleuderte Wiru-Wuru Laura entgegen. »Nichts ist schändlicher, als jemandem übel nachzureden, der sich nicht dagegen wehren kann.«
Laura wahrte die Ruhe, obwohl ihr ganz elend zumute war. Sie wusste, wenn dieser Auftritt scheiterte, würde es keine Rettung für sie und Venik geben. »Tut mir Leid, Majestät, aber alles, was ich Euch erzählt habe, stimmt. Es ist die reine Wahrhei-«
»Schluss jetzt!«, donnerte der Drachenkönig so laut, dass die Kristallleuchter klirrten. »Schaff sie mir aus den Augen!«, befahl er dem
Weitere Kostenlose Bücher