Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
durfte das Haus am Schlangenfluss betreten. Und was noch weit schlimmer war: Gemäß königlicher Anordnung durfte Analinas Name auf Gleißenhall nie mehr ausgesprochen werden – ebenso wenig wie das Wort ›Drache‹. Deshalb ist meine Jugendfreundin inzwischen längst in Vergessenheit geraten, und nur die wenigsten von uns erinnern sich noch daran, dass vormals Drachen in den Drachenbergen hausten.«
Laura betrachtete noch einmal das Ölgemälde vor ihr. Die Ähnlichkeit zwischen dieser Analina und ihrer Mutter war einfach verblüffend. Obwohl die junge Frau aus dem Güldenländer Herrschergeschlecht eine ganze Generation vor Anna gelebt hatte, glichen die beiden sich wie Schwestern. Oder wie Mutter und Tochter. War das nicht ein seltsamer Zufall?
Oder sollte es gar kein Zufall sein?
Eigentlich hatte sie ja gelernt, dass es so etwas wie Zufälle gar nicht gab.
»Ähm«, räusperte sich das Mädchen und wandte sich wieder der Zofe zu, die in tiefe Gedanken versunken auf dem ramponierten Holzstuhl saß. »Warum habt Ihr mir das eigentlich erzählt?«
Saiima betrachtete Laura nachdenklich. »Erinnerst du dich noch an deine Worte vom gestrigen Abend?«, fragte sie schließlich. »Als Königin Auli ihre Verwunderung darüber geäußert hat, dass du in aller Frühe geweckt werden wolltest?«
»Natürlich«, antwortete Laura. »Ich habe ihr erklärt, dass wir heute viel vorhaben.«
»Und weiter?«
Das Mädchen zog ein überraschtes Gesicht. »Was weiter?«
»Was hast du noch gesagt?«
Laura musste nicht lange überlegen. »›Wer nicht anfängt, wird nicht fertig.‹ Ist es das, was Ihr meint?«
Die Zofe nickte und beugte sich zu ihr. »Waren das deine eigenen Worte, oder hast du den Spruch von jemandem gehört?«
»Oma Lena hat ihn immer gebraucht«, antwortete Laura. »Zumindest hat Papa mir das erzählt, denn ich habe sie ja leider nicht mehr gekannt. Großmutter ist bei der Geburt meiner Mutter gestorben.« Sie machte eine kleine Pause, bevor sie Saiima erneut ansah. »Warum fragt Ihr?«
»Weil Analina diesen Spruch auch stets im Munde geführt hat«, erklärte die Zofe. »Genau die gleichen Worte: ›Wer nicht anfängt, wird nicht fertig.‹ Das hat mir zu denken gegeben. Und das erst recht, als du von deinem Traum erzählt hast.«
»Aber ich habe von Mama geträumt, nicht von Analina.«
»Bist du sicher?« Die Alte beäugte sie mit dem Spähblick eines Adlers. »Du könntest in der Nacht doch auch beide gesehen haben – deine Mutter und Analina.«
»Ich dachte, diese Frau wäre tot?«
»Das ist deine Mutter doch auch«, entgegnete die Zofe ernst. »Aber trotzdem ist sie in deiner Erinnerung immer noch genauso lebendig, als würde sie noch leben, nicht wahr?«
Stimmt, dachte Laura überrascht. Ich fühle mich mit Mama so verbunden wie zu ihren Lebzeiten, wenn nicht sogar noch stärker! Verwundert musterte sie Saiima. »Nehmen wir einmal an, Ihr habt Recht und sowohl Mama als auch diese Analina haben sich mir in der Nacht gezeigt.«
»So wird es sein«, bekräftigte Saiima.
»Deshalb vermutet Ihr, dass es eine Verbindung zwischen uns dreien gibt, zwischen Eurer Jugendfreundin, meiner Mutter und mir?«
»Richtig, Laura. Ich bin davon sogar fest überzeugt!«
K apitel 16 Das
Leuchtende Tal
er hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt, Laura?« König Maliks Gesicht verdüsterte sich wie der Himmel vor einem drohenden Gewitter. »In unserer ganzen Familie hat es niemals jemanden mit Namen Analina gegeben. Und du wirst in der ganzen Burg auch niemanden finden, der dir auch nur das Geringste über die… über diese schrecklichen Wesen erzählen könnte.«
Maßlos verblüfft musterte das Mädchen den Herrscher, der sich noch vor wenigen Augenblicken überaus freundlich mit ihr unterhalten hatte. Er hatte ebenso mit ihr gescherzt und gelacht wie seine Gattin, der Prinz und die Prinzessin. Seit Laura sich nach den Drachen erkundigt hatte, war der heitere Ton verflogen. Dennoch bemühten Malik und Auli sich krampfhaft um freundliche Mienen.
»Demnach stimmt es nicht, dass die Drachenberge nach den Drachen benannt wurden, die dereinst dort gehaust haben?«
»Nun, das Gebirge ist schroff und rau und nur schwer zugänglich. Auf unsere Vorfahren erweckte es deshalb den Eindruck, als sei es ihnen feindlich gesinnt. Es ist daher nur verständlich, dass sie ihm einen derart Furcht erregenden Namen gegeben haben, findest du nicht?«
Stimmt, dachte Laura. Klingt einleuchtend. Andererseits würde das
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