Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
gebe ich offen zu, ist die größte Enttäuschung meines Lebens. Auch wenn er von diesem Köpfer unter Todesandrohung zum Mitmachen gezwungen wurde und um sein Leben fürchten musste, finde ich sein Verhalten unverzeihlich. Dafür gibt es keinerlei Entschuldigung. Ich habe ihn deshalb längst wieder zu meiner Stiefschwester zurückgeschickt. Soll die sich doch um ihr missratenes Balg kümmern.«
Beinahe hätte Laura bei diesen Worten bitter aufgelacht. Eine Frage lag ihr auf der Zunge: Und wie ist der Kerl dann nach Aventerra gekommen?
»Und warum hat diese Kora Teschner, die doch angeblich seine Mutter ist, in einem Interview behauptet, keine Kinder zu haben?«, fragte Lukas an ihrer Stelle.
Longolius hob die Hände. »Meine Stiefschwester ist recht impulsiv und sagt manchmal Dinge, die sie hinterher bereut. In diesem Fall behauptet Kora jedoch steif und fest, in dem fraglichen Interview nur falsch zitiert worden zu sein. Sie hätte nie geleugnet, ein Kind zu haben. Aber was soll’s – ich habe sie inzwischen von ihrem Posten als Leiterin meiner amerikanischen Niederlassung enthoben und pflege keinen Kontakt mehr mit ihr. Ich bin es nämlich langsam leid, für die Dummheiten ihres Sprösslings geradestehen zu müssen. Sollen die beiden doch sehen, wie sie alleine zurechtkommen!«
Laura sah ihren Bruder erstaunt an. Verhielt es sich mit Herrn Longolius ähnlich wie mit ihrer Stiefmutter? Taten sie vielleicht auch ihm unrecht? Möglicherweise war ihr Verdacht, dass er die Dunklen unterstützte, ja völlig unbegründet? Bisher ließ es sich ihm jedenfalls nicht nachweisen.
Auch Lukas schien sich seiner Sache nicht mehr ganz so sicher zu sein, wenngleich die Falte auf seiner Stirn bezeugte, dass er immer noch Skepsis an den Aussagen ihres Gastgebers hegte.
Merkwürdig, ging es Laura durch den Kopf. Sollten wir beide uns in Sayelle und Maximilian so gründlich getäuscht haben?
Als habe Longolius ihre Gedanken erraten, ergriff er noch einmal das Wort. »Wenn es zwischen uns Missverständnisse gegeben haben sollte, Laura, dann möchte ich mich dafür ausdrücklich entschuldigen – natürlich auch bei dir, Lukas.« Damit wandte er sich an den Vater. »Es mag Ihnen vielleicht komisch vorkommen, Marius, aber Ihre Familie ist mir in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen. Deshalb möchte ich sie auch weiterhin unterstützen, so gut es geht – Ihr Einverständnis natürlich vorausgesetzt.«
Marius Leander schien unschlüssig zu sein, was er von dem Angebot halten sollte.
Dessen ungeachtet fuhr Longolius fort: »Wenn Sie oder Ihre Kinder also irgendwelche Probleme haben oder Unterstützung benötigen sollten, können Sie sich jederzeit an mich wenden.« Er griff in die Innentasche seines Tweedjacketts, holte seine Visitenkarten daraus hervor und schrieb mit einem Kugelschreiber eine Nummer darauf, bevor er Marius und den Kindern jeweils eine reichte. »Auf den Karten stehen meine Telefonnummern. Die meines Privatanschlusses, die so gut wie niemand kennt, habe ich dazugeschrieben. Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie meine Hilfe benötigen sollten. Ich werde dann alles tun, was in meiner Macht steht, um Ihnen zu helfen. Und das ist nicht gerade wenig, wie ich bemerken darf.« Er lächelte stolz. »Damit Sie sehen, wie ernst mir die Sache ist und dass es sich keineswegs um eine bloße Absichtserklärung handelt: Mir ist bekannt, dass Ihnen und Ihren Kindern sehr am Fortbestand von Ravenstein gelegen ist. Zwar habe ich das Internat auch schon in der Vergangenheit hin und wieder unterstützt. Aber was ich anlässlich des bevorstehenden Jubiläumsfestes in die Wege geleitet habe, wird selbst Ihre kühnsten Erwartungen übertreffen und eine große Überraschung für Sie alle sein.«
Laura und Lukas warfen sich verwunderte Blicke zu, und auch Marius Leander war erstaunt. »Tatsächlich? Worum handelt es sich denn?«
»Nicht so schnell, mein Lieber«, antwortete Maximilian Longolius, während Sayelle und er sich verschwörerisch zulächelten. »Wenn ich Ihnen das jetzt schon verrate, dann ist es doch keine Überraschung mehr. Gedulden Sie sich also bitte noch ein wenig. Sie werden es schon rechtzeitig erfahren.«
Am nächsten Tag fing Lukas seine Schwester gleich nach Unterrichtsschluss auf dem Flur vor dem Klassenzimmer ab. »Besorg dir ein Fahrrad, schnell!«, bestürmte er sie. »Wir müssen dringend zum Nebelsee.«
Laura zog die Nase kraus. »Und warum?«
»Wirst du schon sehen«, gab der Bruder hastig
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